Serenade für Streichorchester, op. 2
Werkverzeichnisnummer: 3178
1. Marsch. Allegro moderato – Tempo di Marcia – Trio. Meno mosso – Coda
2. Romanze. Andante con moto
3. Walzer. Allegro moderato – Presto
4. Finale. Allegretto non troppo – Molto vivo
2003
MIECYSLAW KARLOWICZ
Streicherserenade, op. 2
Junges Polen in der Musik hieß eine Künstlergruppe, die 1905 in Warschau gegründet wurde und deren prominentestes Mitglied später Karol Szymanowski wurde. 1906 trat ihr ein junger Komponist bei, den man heute kaum noch dem Namen nach kennt: Mieczyslaw Karlowicz. Er gehörte zu den bedeutendsten Musikern der frühen polnischen Moderne, die bei ihm eher die Züge einer volksmusikalisch inspirierten Spätromantik trägt. Seine Streicherserenade, op. 2, ist dafür ein typisches Beispiel.
Das Interesse an der polnischen Volksmusik hatte Mieczyslaw Karlowicz von seinem Vater geerbt, einem seinerzeit berühmten Ethnographen und Philologen, der als einer der ersten Artikel über polnische Volkslieder veröffentlichte. Den universitären Engagements seines Vaters entsprechend, war Mieczyslaw in Litauen zur Welt gekommen und in verschiedenen deutschen Universitätsstädten aufgewachsen. Bei Heinrich Urban in Berlin studierte er Komposition, bei Artur Nickisch in Leipzig Dirigieren. 1900 ließ er sich dauerhaft in der polnischen Hauptstadt nieder, wo er im Kreis des Jungen Polen in der Musik nach neuen Ausdrucksformen suchte. Vorbild der Gruppe war Richard Strauss, dessen wagnerische Harmonik und üppige Orchestrierung ebenso nachgeahmt wurde wie der Hang zur Sinfonischen Dichtung. Das durchaus eigenwillige Genie des Mieczyslaw Karlowicz konnte sich innerhalb dieser Bewegung nur wenige Jahre entfalten. Auf einer einsamen Skifahrt in der polnischen Tatra wurde der Komponist 1909 von einer Lawine erfasst und verschüttet.
Das tragisch frühe Ende ließ das Talent von Karlowicz nicht voll zur Entfaltung kommen. Geblieben sind einige hoch bedeutende Frühwerke wie die Serenade, die er 1897 in Berlin komponierte, wo sie auch als sein Opus 2 im Druck erschien. Typische Merkmale seines Stils werden darin deutlich: die üppige Klangschönheit einer fülligen, von Strauss beeinflussten Symphonik, andererseits die “lyrische und melancholische Schönheit, oft mit tragischen, düsteren Akzenten”, wie es die polnische Musikwissenschaftlerin Zofia Lissa schrieb.
Die Serenade hat vier Sätze. Der einleitende Marsch erinnert an die Serenaden der Wiener Klassik, wo solche Märsche noch realistisch für den Aufmarsch der Musiker unter dem Fenster der Angebeteten bestimmt waren – oder diese Situation ironisierten. Letzteres ist wohl auch hier der Fall, nicht ganz so keck ironisch wie in der Italienischen Serenade von Hugo Wolf, aber doch mit einem vergleichbaren sanft-ironischen Unterton. Die Romanze, die das Ensemble danach anstimmt, ist der eigentliche Inhalt der Serenade, gewissermaßen das Ständchen. Die Werbung scheint vom Erfolg gekrönt zu sein, denn es folgt ein Walzer, wohl für das glücklich vereinte Liebespaar. Das Finale setzt dem Werk eine tänzerisch-vitale Krone auf.
Karl Böhmer