“Gregorianische Phantasie”, op. 97b
Werkverzeichnisnummer: 3168
2003
BERTOLD HUMMEL
Gregorianische Phantasie, op. 97b
Am 9. August 2002 starb im Alter von 76 Jahren in Würzburg der deutsche Komponist Berthold Hummel. Aus dem badischen Hüfingen stammend, hatte er als junger Mann unmittelbar nach dem Krieg bei Harald Genzmer Komposition und bei Atis Teichmanis Cello studiert. 1956-63 wirkte er als Kantor in Freiburg, seit 1963 als Kompositionslehrer am Würzburger Staatskonservatorium.
Als aus letzterem die Würzburger Musikhochschule hervorging, wurde er dort Leiter des Studios für Neue Musik, Professor und für acht Jahre Präsident. Als Plattform für Zeitgenössisches rief er in seiner mainfränkischen Wahlheimat die Würzburger Tage für Neue Musik ins Leben.
Mehr als zweihundert Werke hat er hinterlassen. Sie umfassen alle Gattungen außer der großen Oper. Seinen Bühnenschaffen beschränkt sich auf die Kammeroper Des Kaisers neue Kleider und mehrere Ballette. Chorwerke, insbesondere solche liturgischen Charakters wie die Missa Laudate Pueri oder die Würzburger Dommesse, Konzerte, etwa für Schlagzeug, große Orchesterwerke und Stücke für Soloinstrumente sind für ihn charakteristisch. Viele der Solowerke hatten und haben pädagogischen Anstrich, da er sich leidenschaftlich für die Weiterbildung der Jugend einsetzte. Nicht zuletzt dadurch gehörte er zu den meistgeehrten Komponisten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Städte Stuttgart, Düsseldorf und Würzburg verliehen ihm Komponisten- bzw. Kulturpreise. Seine besondere Verwurzelung in der katholischen Kirchenmusik zeigen einerseits Auszeichnungen wie die 1985 vom Würzburger Bischof Scheele verliehene Bruno-Medaille, die Orlando-di Lasso-Medaille des Allgemeinen Cäcilien-Verbands (ACV) und der Kulturpreis der Deutschen Katholiken 1998. Andererseits verarbeitete er auch in seinen nicht-kirchlichen Werken immer wieder biblische Themen. Dies zeigen u.a. seine orchestralen Hauptwerke, die Dritte Sinfonie Jeremia und die Visionen für großes Orchester.
Als gläubiger Katholik blieb Hummel lebenslang der Quelle katholischer Kirchenmusik, dem gregorianischen Choral, verhaftet. Dadurch und durch den tiefen Ernst gläubiger Verkündigung fühlte er sich seinem französischen Kollegen Olivier Messiaen verbunden. Daneben waren Hindemith, Bruckner und Berg seine wichtigsten Vorbilder, während er sich im Klanglichen stark an Frankreich orientierte. Einige dieser Einflüsse verrät auch die Gregorianische Phantasie für Harfe. Sie verarbeitet Material aus Choralmelodien in einer freitonalen, rhythmisch überaus variablen Weise. Die Harfe, sonst eher das Instrument des romantischen Klangrauschs und der wogenden Akkordflächen, nimmt hier einen ungewöhnlich ernsten, archaischen Tonfall an – eben jenen des biblischen Instruments von König David.