Trio B-Dur für Violine, Violoncello und Klavier, op. 97, “Erzherzogtrio”
Werkverzeichnisnummer: 3113
1. Allegro moderato
2. Scherzo. Allegro
3. Andante cantabile, ma però con moto
4. Allegro moderato
Beethovens Beziehungen zum Wiener Hochadel und zum Erzhaus der Habsburger waren von widersprüchlichen Gefühlen geprägt. Während der Meister josephinische, ja fast schon jakobinische Parolen vor sich hin brummte, wenn’s in einem Wiener Beisl ans Politisieren ging, pflegte er in den Palais der Stadt vertrauten Umgang mit der Hautevolee. Kein Komponist hat mehr Werke Standespersonen von Rang gewidmet und ist damit auf größere Gegenliebe gestoßen als er.
Im “Erzherzogtrio” ist dieser Umstand sprichwörtlich geworden. Seine Klaviertrios widmete der Meister solchen adligen Gönnern, die er besonders schätzte: die beiden Trios Opus 70 von 1808 der Gräfin Erdödy, das 1811 komponierte, aber erst 1816 gedruckte B-Dur-Trio dem jungen Erzherzog Rudolph. Mit ihm, dem menschlichsten und musikalischsten Habsburger jener Epoche, verband den Maestro eine tiefe Freundschaft, die er in seinen Widmungen zum Ausdruck brachte. Neben dem Trio konnte der Erzherzog so bedeutende Werke wie das 4. und 5. Klavierkonzert, die Klaviersonate Opus 111 und die “Missa solemnis” mit Dedikationen des Maestro in Empfang nehmen.
Wie immer, wenn es um den Erzherzog ging, hatte Beethoven auch mit seinem Opus 97 Besonderes im Sinn. In seinem letzten Klaviertrio übertrug er die breiten Dimensionen und die gesangliche Aura seiner neueren sinfonischen Werke auf die Kammermusik. Das Trio klingt so lyrisch wie das G-Dur-Klavierkonzert, so pastoral wie die Sechste Sinfonie und in den Klavierpassagen so raumgreifend wie das Es-Dur-Konzert. Beethovens Kunst der motivisch-thematischen Arbeit trumpft hier einmal nicht heroisch auf, sondern kleidet sich durchweg in breiten, liedhaften Gesang.
Das Hauptthema des Kopfsatzes ist das Paradigma dieses geläuterten Stils: ein B-Dur-Gesang, den Klavier und Streicher so unbekümmert vor sich hinsingen, als stamme er von Franz Schubert. In den Klavierpassagen der Überleitung leuchtet noch einmal kurz Beethovens “éclat triomphal” auf, um dann aber rasch dem ebenfalls lyrischen Seitenthema Platz zu machen. Vom alten Themendualismus des Beethovenschen Sonatensatzes ist hier nichts zu spüren: Das G-Dur-Seitenthema wirkt nur wie die innere Fortsetzung des Hauptthemas. Die Durchführung ist auf dieser Grundlage nichts anderes als ein flächiges Ausbreiten lyrischen Gesangs. Sie gipfelt in einer langen Pizzicato-Passage der Streicher zu gitarrenartigem Klavierklang, einer Art Serenade. Nach der subtil veränderten Reprise bringt die Coda die längst erwartete hymnische Steigerung des Themas in dem für Beethoven so typischen drängenden Gestus.
Das an zweiter Stelle stehende Scherzo macht seinem Namen vom ersten Takt an alle Ehre: mit einer naiv volkstümlichen Weise des Cellos, die die Geige in Gegenbewegung beantwortet. Hier bitten zwei Wiener Straßenmusikanten zum Walzer, was sich das Klavier nicht zweimal sagen lässt. Mit Vergnügen verfolgte ein anonymer Kritiker der “Allgemeinen Musikalischen Zeitung” den kontrapunktischen Weg des so einfachen Themas: “Ein solch unscheinbares Ding, das so leicht aussieht, sich so gemütlich anhört, so unschuldig sein kleines Pflanzenleben durchtändelt, – trägt den Stempel der Vollendung in sich, und kann nur aus der Feder eines gelehrten Theoretikers fließen.” Dass Beethoven sich hier keineswegs nur als Meister des Kontrapunkts betätigte, sondern auch als musikalischer Zeitzeuge, verschwieg der Kritiker. Das Scherzo ist nichts anderes als ein ironischer Kommentar zur rasch um sich greifenden Walzersucht der Wiener. Auch in das fahle Thema des b-Moll-Trios, das sich aus der tiefen Lage der Instrumente chromatisch nach oben schraubt, mischt sich der Walzer ein. “Wie ein blendendes Nordlicht scharf und grell” brechen Anflüge einer Valse brillante hervor, die Webers “Aufforderung zum Tanz” vorwegzunehmen scheinen, aber in ein gespenstisches Licht getaucht sind, das schon die nahe Romantik ankündigt. Zweimal wechseln Hauptteil und Trio ab, bevor eine “humoristische Coda den durch das lugubre Trio einigermaßen suspendierten Frohsinn vollkommen wieder herstellt.”
Das Andante cantabile ist einer der schönsten Variationensätze in Beethovens Kammermusik. Wohlweislich versah er die Überschrift mit dem Zusatz “ma però con moto”, um davor zu warnen, den Satz seiner gesanglichen Schönheiten wegen zu langsam zu nehmen. Die stille Größe des D-Dur-Themas beruht – wie so oft bei Beethoven – auf den einfachsten diatonischen Harmonien. Im Laufe der Variationen werden sie zunächst kaum durch kunstvollere Akkorde ersetzt, denn im Vordergrund steht der Klang. Die Rollen im Triosatz sind so eigenwillig verteilt, dass man an die sperrige Klanglichkeit der späten Quartette erinnert wird. Erst in der langen Passage der vierten Variation (“un poco più Adagio”), in der die Streicher das synkopierte Thema über rauschenden Klavierakkorden bringen, darf sich das Trio in klassischer Klangschönheit aussingen. In der letzten Variation steigert sich dieses Cantabile nach zaghaftem dialogischem Beginn zur Emphase eines harmonisch reichen, romantischen Gesangs.
Unversehens verwandeln sich die letzten Akkorde dieser Cantabile-Stelle in den Auftaktakkord zum Finale. “Es hat dieser Satz einen tändelnden Charakter, der durch die leichte Behandlungsart aller drei Instrumente und der ihnen zugeteilten lebhaften Figuren und Passagen recht klar anschaulich hervortritt,” meinte der schon mehrfach zitierte Kritiker. Die Rondoform nutzte Beethoven hier zu Ausflügen in teils humorvolle, teils widerborstige Episoden. Am Ende machte er sich einen Lieblingskunstgriff Mozarts zunutze: das Thema vom geraden Takt in den 6/8-Takt zu versetzen. Bei Beethoven beginnt dieses Presto freilich in A-Dur, also enharmonisch so weit vom Grundton entfernt, dass die endgültige Rückkehr nach B-Dur dem Satz zu einem sensationellen Schluss verhilft. Sofern die Musiker “ihr Spiel in Eins verschmelzen” können, dürfte diesem Satz wie dem ganzen Trio “der herrlichste Total-Effect mit apodiktischer Gewissheit verbürgt werden”, meinte entzückt unser musikkritischer Gewährsmann von 1817.