Klavierquintett f-Moll, op. 34 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Klavierquintett f-Moll, op. 34

Quintett f-Moll für Klavier und Streichquartett, op. 34

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3112

Satzbezeichnungen

1. Allegro non troppo

2. Andante, un poco Adagio

3. Scherzo. Allegro

4. Finale. Poco sostenuto – Allegro, non troppo – Presto, non troppo

Erläuterungen

2004
Klavierquintett f-Moll, op. 34

Der Endfassung des f-Moll-Quintetts gingen zwei frühere Versionen voraus: ein Streichquintett in der Schubertschen Besetzung mit zwei Celli und eine Sonate für zwei Klaviere, die Brahms später als op. 34b publizierte. Weder die eine noch die andere Fassung konnte seine engsten Freunde überzeugen. Für ein Streichquintett fehle dem Werk der „Klangreiz“, so Joseph Joachim, und in der Fassung für zwei Klaviere gingen „eine Menge der schönsten Gedanken“ verloren, so Clara Schumann. Brahms suchte darum nach einer dritten Klanglösung für das thematische Material, das Clara so „wundervoll großartig“ fand, dass man es „mit einem Füllhorn über das ganze Orchester ausstreuen“ müsste. Hermann Levi, der spätere Dirigent von Wagners Parsifal, gab schließlich den Anstoß zur Endfassung. Er pries sie im November 1865 als „ein Meisterwerk von Kammermusik, wie wir seit dem Jahre 1828 (Schuberts Tod) kein zweites aufzuweisen haben.“

Clara Schumanns Verdikt vom symphonischen Charakter bestätigt vor allem der erste Satz. Das im Unisono vorgestellte Hauptthema wird symphonisch entwickelt – vom zaghaften Beginn über die rhythmische Verkürzung zu einer nervösen Sechzehntelfigur bis zur Entfaltung in wilden Dialogen zwischen Klavier und Streichern. Darauf folgen: ein zweites f-Moll-Thema klagenden Charakters, ein gespenstisches Zwischenthema in cis-Moll, das gesangliche Seitenthema in Des-Dur und eine an Schubert erinnernde Schlussgruppe. Das Andante ist unverkennbar eine Hommage à Schubert. In schlichter dreiteiliger Liedform lösen ein Ländler des Klaviers und eine innige Melodie der Streicher einander ab. Scherzo und Finale verweisen auf einen Komponisten, mit dem Brahms seltener in Verbindung gebracht wird: Richard Wagner. Das hämmernde Motiv des Scherzos erinnert an Wagners Darstellung der unterirdischen Kluft in der dritten Szene von Rheingold. Brahms hat daraus einen Satz von verblüffend moderner Rhythmik und grandioser Virtuosität entwickelt. Die langsame Einleitung des Finales streift durch ihre exzessive Chromatik unwillkürlich Tristan und Isolde. Daran schließt sich ein Schubertsches Rondo an, dessen Thema wiederum subtil verarbeitet wird. Eine Stretta im Sechsachtel-Takt führt das Quintett zum krönenden Abschluss.

2003
JOHANNES BRAHMS
Klavierquintett f-Moll, op. 34

„Mir ist nach dem Werk, als habe ich eine große tragische Geschichte gelesen.“ Unter den vielen Äußerungen von Brahms‘ Freunden, die dem Ausnahmerang seines Klavierquintetts gerecht zu werden versuchten, ist diejenige von Clara Schumann die treffendste. Das viersätzige Werk entfaltet sich von Beginn an im Ton der Tragödie und in einem Spannungsbogen von nie nachlassender Intensität.
Während Clara Schumann und Brahms´ Geigerfreund Joseph Joachim an anderen Kammermusikwerken des Meisters stets diesen oder jenen Satz weniger gelungen fanden, standen sie vor dem f-Moll-Quintett gewissermaßen in Ehrfurcht erstarrt. Kaum anders dürfte es den meisten Hörerinnen und Hörern heute ergehen. „Es ist, soviel ist mir gleich klar, ein Stück von tiefster Bedeutung, voll männlicher Kraft und schwungvoller Gestaltung, alle Sätze bedeutend, sich ergänzend“, schrieb Joachim beeindruckt. Und Hermann Levi, der sich erst später der Partei Richard Wagners anschloss, meinte lakonisch: „Ein Meisterwerk von Kammermusik, wie wir seit dem Jahre 1828 [dem Tod Schuberts] kein zweites aufzuweisen haben.“

Bis das Werk diesen Grad an Vollkommenheit erreicht hatte, hatte es freilich eine bei Brahms einmalige Klang-Metamorphose durchlaufen. Fast exakt die selbe Musik, die wir heute von Klavier und Streichquartett gespielt hören, war ursprünglich für Streicher alleine bestimmt: als Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Celli. Da diese erste Version aus den Jahren 1862/63 in privaten Proben und Voraufführungen nicht den erhofften Klangeffekt erzielte, zog sie Brahms zurück und arbeitete sie zu einer Sonate für zwei Klaviere um. (In dieser Form hat er das Stück später auch als Opus 34bis veröffentlicht). Doch was für die Streicher zu wild und ausladend erschienen war, wirkte nun auf zwei Klavieren zu monochrom. Für ein Streichquintett fehle dem Werk der „Klangreiz“, so Joseph Joachim, in der Fassung für zwei Klaviere gingen „eine Menge der schönsten Gedanken“ verloren, so Clara Schumann.

Brahms suchte darum nach einer dritten Klanglösung für das thematische Material, das Clara so „wundervoll großartig“ fand, dass man es „mit einem Füllhorn über das ganze Orchester ausstreuen“ müsste. Erst im dritten Anlauf und auf Anraten von Hermann Levi fand der Komponist jene Synthese aus Streicher- und Klavierklang, in der uns das Werk heute so selbstverständlich erscheint.

Clara Schumanns Verdikt vom symphonischen Charakter bestätigt vor allem der erste Satz. Das im Unisono vorgestellte Hauptthema entfaltet sich in einem fast erdrückend straffen, kompromisslosen Spannungsbogen – vom zaghaften Beginn über die rhythmische Verkürzung zu einer nervösen Sechzehntelfigur bis hin zur Entladung im kraftvollen Tuttiklang von Klavier und Streichern. Darauf folgen: ein zweites f-Moll-Thema klagenden Charakters, ein gespenstisches Zwischenthema in cis-Moll, aus dem sich über Cis-Dur das gesangliche Seitenthema in Des-Dur entwickelt, sowie eine an Schubert erinnernde Schlussgruppe. Die Durchführung beruht wiederum auf einem scheinbar neuen synkopischen Motiv, das jedoch aus dem Kopfmotiv des Satzes abgeleitet ist. Letzteres beherrscht alle Formteile, indem es die symphonische Fülle der Themen bändigt und immer wieder auf den motivischen Kern zurückführt, geichsam auf den Grund der Tragödie. In der Coda bricht sich das Hauptmotiv dann rücksichtslos Bahn – buchstäblich bis in den letzten Takt hinein.

Das Andante ist unverkennbar eine Hommage à Schubert. In schlichter dreiteiliger Liedform lösen ein Ländler des Klaviers und eine innige Melodie der Streicher einander ab.

Scherzo und Finale verweisen auf einen Komponisten, mit dem Brahms selten in Verbindung gebracht wird: Richard Wagner. Das hämmernde Motiv des Scherzos erinnert an Wagners Darstellung der unterirdischen Kluft in der dritten Szene von Rheingold. Bei Brahms entwickelt sich auf der Basis dieses pochenden Motivs ein Satz von verblüffender Motorik und grandioser Virtuosität. Als Vorbild für den formalen Aufbau hat der britische Musikforscher Donald Tovey das Scherzo aus Beethovens Fünfter Symphonie erkannt. Auch dies kann man beim Hören nachvollziehen – in den Steigerungen des Mollhauptteils ebenso wie im kurzen Dur-Mittelteil.

Die langsame Einleitung des Finales streift durch ihre exzessive Chromatik wiederum Wagner – die Harmonik des Tristan; Ludwig Finscher hörte hier Ähnlichkeiten zu Wagners Faust-Ouvertüre heraus. Daran schließt sich ein Rondo an, dessen Thema Brahms erneut aus seiner Bewunderung für Schubert heraus entwarf. Es ist dem Rondothema aus dessen Grand Duo für Klavier zu vier Händen auffallend ähnlich. Trotz aller thematischen Bezüge freilich erscheint der 30jährige Brahms gerade in diesem Finale als ein völlig selbständiger Meister formaler Zusammenhänge, die mit äußerster Konsequenz entwickelt werden. Eine Stretta im Sechsachtel-Takt führt das Werk zum krönenden Abschluss.