Sonate G-Dur, BWV 1027
Werkverzeichnisnummer: 3110
Die Musik dieser Sonate dürfte den meisten Musikfreunden eher in der Gestalt für zwei Querflöten und Basso continuo denn als Gambensonate vertraut sein. Freilich ist weder die eine noch die andere Fassung das Original, sondern eine verlorene Triosonate für zwei Violinen und Basso continuo, die Bach nachträglich in den beiden erhaltenen Formen bearbeitet hat. Eine Urfassung für zwei Streicher würde am besten die lang ausgehaltenen Töne im Eingangssatz erklären, die weder auf Cembalo noch Flöte befriedigend auszuführen sind. Zu diesen Haltetönen erklingt in der Unterstimme eine um sich selbst kreisende Melodie von pastoralem Charme. Sie gibt den dissonanten Anstoß für die Oberstimme, die beiden Stimmen verzahnen sich, bis sie einander im Achtelabstand folgen. Dabei verarbeiten sie fast ununterbrochen ein kurzes Skalenmotiv aus dem Thema. Daraus entsteht ein höchst lebendiger, im Ton friedvoller Dialog.
Das etwas behäbige Tanzthema des zweiten Satzes wird nach allen Regeln der Fugenkunst durchgeführt: zunächst in der Originalgestalt, dann in der Umkehrung, schließlich – nach Mollverwicklungen und einer dissonanten Krise – in der Engführung als triumphaler „confirmatio“.
Von besonderem Zauber ist der dritte Satz, eine einzige Folge gebrochener Akkorde der beiden Oberstimmen in e-Moll, bis am Ende das Cembalo zu einem Liegeton der Gambe das Grundmotiv durch die Tonarten führt. Der Satz erinnert in seiner elegischen Stimmung an manche Rezitative aus der Matthäuspassion wie etwa Du lieber Heiland, du oder Wiewohl mein Herz in Thränen schwimmt.
Mit einem kraftvollen Allegro im Rhythmus der Bourrée anglaise geht die Sonate zu Ende. Anders als in einer Suite wird das Tanz-thema nicht homophon, sondern imitierend durchgeführt. Alle drei Stimmen sind in den dichten Kontrapunkt miteinbezogen. Als Motor fungieren lange Ketten von Sekundvorhalten zu Laufkaskaden der linken Hand. Wie im ersten Satz wird das Thema durch seine Engführung bestätigt, hier sogar mehrfach. Der Satz atmet jene Symbiose aus französischem Tanzrhythmus, italienischen Sequenzen und deutschem Kontrapunkt, wie er für Bachs schnelle Sonatensätze typisch ist. In seiner beschwingt- virtuosen Faktur gehört er zu seinen eingängigsten Finali.