Quartett F-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, KV 590 (3. Preußisches Quartett)
Werkverzeichnisnummer: 3029
1. Allegro moderato
2. Andante
3. Menuetto. Allegretto
4. Allegro
2018:
Als „drittes preußisches Quartett“ ist Mozarts letztes Streichquartett in die Annalen der Musikgeschichte eingegangen – ein völlig unverdientes Prädikat, hat die preußische Hauptstadt dem großen Komponisten aus Wien doch zu Lebzeiten die kalte Schulter gezeigt: Als Mozart im April 1789, von Leipzig kommend, in Potsdam eintraf und bei König Friedrich Wilhelm II. um Audienz nachsuchte, delegierte der Cello spielende Monarch die Anfrage kurzerhand an seinen Cellolehrer Jean-Pierre Duport. Da auch die Musikliebhaber Berlins kein Interesse an dem Besucher aus Wien zeigten, kehrte er unverrichteter Dinge nach Leipzig zurück, wo man ihn ungleich enthusiastischer empfangen hatte. Ein zweiter Abstecher nach Berlin im Mai scheint immerhin zum informellen Musizieren vor der Königin geführt haben, das große Konzert aber, zu dem man Mozart in jener Zeit allenthalben einlud – in Mainz und München, in Dresden, Prag und Leipzig – blieb in Berlin aus.
Was er von dieser deprimierenden Reise mit zurück nach Wien nahm, war die schwache Hoffnung, dem König wenigstens durch Werke imponieren zu können. Friedrich Wilhelm II. war ein leidenschaftlicher Cellist und ein Liebhaber des Streichquartetts. Deshalb kaufte Mozart auf der Rückreise in einer Papiermühle zwischen Dresden und Prag einige Bögen böhmisches Notenpapier und begann zügig, zwei Streichquartette für den Preußenkönig zu entwerfen – mit entsprechend dankbaren Soli für das Cello. Das erste Quartett in D-Dur KV 575 konnte er schon im Juni 1789 als vollendet in sein Werkverzeichnis eintragen: „ein Quartett für seine Mayestät, den König in Preußen“. Auch die ersten beiden Sätze des B-Dur-Quartetts KV 589 konnte er rasch fertigstellen, dann aber geriet das Vorhaben ins Stocken. Wieder zurück in Wien brachen die Geldsorgen über ihn herein und raubten ihm jede Inspiration: „Leben muß ich … bis meine Quartetten so ich in Arbeit habe zum Stich befördert werden – folglich würde ich, wenn ich dermalen wenigstens 600 fl. in die Hände bekäme, ziemlich ruhig schreiben können – denn ach! Ruhe gehört dazu,“ so klagte er sein Leid seinem Logenbruder und Geldgeber Michael Puchberg. Die ersehnte Ruhe scheint sich nicht eingestellt zu haben. Erst ein Jahr später schrieb Mozart das B-Dur-Quartett zu Ende und komponierte das dritte Quartett in F-Dur, KV 590. Anschließend war er gezwungen, „meine Quartetten (diese mühsame Arbeit) um ein Spottgeld herzugeben, nur um in meinem Umständen Geld in die Hände zu bekommen.“
Tatsächlich wurden die drei Werke erst kurz nach Mozarts Tod im Dezember 1791 veröffentlicht – ohne jede Widmung an den preußischen König. Dennoch nennt man sie bis heute die „Preußischen Quartette“, obwohl sie so österreichisch sind wie nur irgendein Werk Mozarts: Er hat sie in Wien komponiert, dort uraufgeführt und dort zum Druck gegeben. Wie seine Originalhandschriften und Skizzen verraten, handelte es sich tatsächlich um eine mühsame, nur langsam voranschreitende Arbeit.
Über die ersten Aufführungen sind wir relativ gut unterrichtet. Mozart veranstaltete im Advent 1790 und noch einmal im Frühjahr 1791 in Wien „Quartett-Subskriptionsmusiken“, also Kammermusikabende für zahlende Zuhörer. Im Rahmen dieser Konzerte erlebten seine beiden späten Streichquintette KV 593 und 614 ihre Uraufführungen, ebenso die „Preußischen Quartette“. Mozart spielte selbst die Bratsche, zwei renommierte Wiener Geiger übernahmen die Violinpartien, hinzu kam der Solocellist der kaiserlichen Hofkapelle, Joseph Oeßler. Diesem Wiener Cellisten blieb es vorbehalten, jene Cellosoli aus der Taufe zu heben, die Mozart eigentlich für den König von Preußen bestimmt hatte – ein wahrhaft königliches Vergnügen!
Das F-Dur-Quartett KV 590 trug Mozart im Juni 1790 als vollendet in sein Werkverzeichnis ein. Wie immer, wenn er die Tonart F-Dur benutzte, handelt es sich um ein hintergründiges Spiel mit Klischees des „galanten Stils“, die unvermittelt in Melancholie umschlagen. Der erste Satz ist ein gemäßigt schnelles Allegro moderato, denn die schnellen Läufe in allen vier Instrumenten dürfen nicht zu forsch angegangen werden. Aus diesen Läufen entwickelte Mozart ein „Gespräch unter vier vernünftigen Leuten“ – ganz so, wie sich Goethe das Streichquartett vorstellte. Zu Beginn herrscht noch ungetrübte Eintracht: Die vier Musiker spielen im Einklang die leise aufsteigenden Töne des F-Dur-Dreiklangs. Beim dritten Ton aber schlägt die Lautstärke plötzlich ins Forte um, gefolgt von einem Lauf, der zornig in die Tiefe stürzt und ins Leere mündet. Nun versucht es die erste Geige einen Ton höher, landet aber statt beim erwarteten Ton d auf einem cis, gefolgt von einem Lauf, der wiederum knapp abreißt. Erst beim dritten Anlauf gelingt eine kantable Melodie, getragen von pochenden Achteln. Nun aber meldet sich das Cello zu Wort, und zwar mit jenem zornigen Lauf aus dem zweiten Takt, gleichsam, um die Führungsrolle an sich zu reißen. Dies gelingt ihm tatsächlich: Es wiederholt das Hauptthema in C-Dur als galantes Solo, das die erste Geige mit leisen Echos beantwortet, wobei sich melancholische Molltöne ins muntere Geplauder einmischen. Auch das zweite Thema gehört zunächst dem Cello – ein raumgreifendes Solo, das in eine wunderschöne Melodie mündet. Nichts scheint den blauen Himmel über diesem Seitenthema zu trüben, bis die anderen Musiker den Schlagabtausch der schnellen Läufe wieder eröffnen. Am Ende des ersten Teils wird mithilfe des Hauptthemas die Eintracht wiederhergestellt. Erst zu Beginn der Durchführung reißt ein zorniger d-Moll-Lauf die Gegensätze wieder auf. 17 Takte lang dialogisieren erste Geige und Cello in flüsternden Motiven ¬– Oktavsprünge gegen chromatische Seufzer –, dann endlich entlädt sich der Zorn aller Beteiligten in heftigen Läufen in d-Moll. Der ersten Geige gelingt das Kunststück, leise und versöhnlich in die Reprise zurückzulenken. Dort ist fast alles wie zu Beginn, nur dass nun die Bratsche statt des Cellos zum Konkurrenten der ersten Geige wird. Nach einem letzten trotzigen Lauf in f-Moll entschwebt die Musik am Ende in lichte F-Dur-Höhen. Ein simpler Oktavsprung auf dem Grundton F bildet, ohne jede Begleitung, das Schlusswort der ersten Geige. Mozart hat keinen zweiten Quartettsatz geschrieben, in dem sich virtuose Läufe und galante Melodien scheinbar so glanzvoll entfalten, während unter der glatten Oberfläche ein subtiles Spiel mit Molleintrübungen und thematischen Anspielungen stattfindet.
Im Andante setzt sich dieses subtile Spiel fort: Ein inniges C-Dur-Thema wird nach und nach von Sechzehntelfiguren und Molleintrübungen überlagert. Zu Beginn spielen die vier Musiker das Thema ganz leise und zart, so innig wie ein Schubertlied, wobei auch in der Harmonik Schubertsche Wendungen schon vorweggenommen werden. Dann umkleidet die erste Geige das schlichte Thema mit ausdrucksvollen Fiorituren, gefolgt vom Cello und der Bratsche. Daraus entsteht eine Art Klangstrom, der den ganzen Satz trägt. Dass Mozart dieses Andante in Sonatenform angelegt hat – mit Durchführung, Reprise und Coda –, zeigt, wie sehr ihn das schlichte Thema reizte: Es ist in fast jedem Takt des Satzes in immer neuen Varianten präsent. Zum Schluss steigt die Musik in himmlische Höhen auf, sie entschwebt gleichsam.
Aus diesen Höhen herab beginnt leise und zweistimmig das Menuett. Sein zartes F-Dur-Thema wird schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und ins bärbeißige d-Moll versetzt. Laut und trotzig wandert das Thema mit seinen kurzen Vorschlägen durch die Molltonarten – so, als habe man es mit einem Scherzo des jungen Beethoven zu tun und nicht mit Mozart. Der kunstvolle Kontrapunkt des Trios weist ebenfalls auf Beethoven voraus.
Auch das Allegro-Finale kann man als eine Vorahnung des Beethovenschen Quartettstils ansehen, zumal Mozart hier ausnahmsweise nicht von der Rondoform Gebrauch machte, sondern einen ausgewachsenen Sonatensatz komponiert hat. Alles kreist dabei ums tänzerische Hautthema, das zu Beginn im Solo der ersten Geige so unschuldig daherkommt wie ein Rondothema von Joseph Haydn. Allmählich aber breiten sich die Läufe des Themas über alle Stimmen aus und werden zur kontrapunktischen Gegenbewegung gesteigert. Zwei ausgesprochene Charakterthemen werden aus dem Thema abgeleitet: ein heftiger Zornesausbruch in d-Moll mit Synkopen und eine ungarische Melodie über „Jazz“-Rhythmen. Dazwischen hat Mozart das Thema durch schmerzliche Vorhalte und chromatische Wendungen in abgrundtiefe Melancholie getaucht. Auch in der Durchführung lauschte er dem Thema ganz nach Haydns Vorbild subtilste Varianten ab. Das Schlusswort gehört aber der munteren, ungarischen Melodie, die sich auf leisen Sohlen davonstiehlt. So hintergründig humorvoll hat sich Mozart vom Genre des Streichquartetts verabschiedet.
Die Unbefangenheit, mit der sich Mozart als jugendlicher Komponist dem Genre Streichquartett genähert hatte, ging dem reifen Meister zusehens verloren. Hatte er schon die 1782-85 komponierten sechs Quartette für Joseph Haydn als „Frucht einer langen, arbeitsreichen Mühsal“ bezeichnet, so traf dieser Satz noch mehr auf seine drei letzten Werke des Genres, die sogenannten „Preußischen Quartette“ zu. Als Mozart im Sommer 1789 mit der Arbeit an diesen Stücken begann, war für ihn die Unbefangenheit im Quartettschreiben nur noch ein Jugendtraum: In seiner bedrückenden finanziellen Lage zog sich die Arbeit an den „Preußischen Quartetten“ über Monate hin; erst im Sommer 1790 hat er sie vollendet. Es war die umständlichste Entstehungsgeschichte, die wir von einem Mozartwerk überhaupt kennen. „-leben muß ich … bis meine Quartetten so ich in Arbeit habe zum Stich befördert werden – folglich würde ich, wenn ich dermalen wenigstens 600 fl. in die Hände bekäme, ziemlich ruhig schreiben können – denn ach! Ruhe gehört dazu …,“ so Mozarts Stoßseufzer an seinen Logenbruder und Geldgeber Michael Puchberg im Mai 1789. Als das dritte Quartett ein Jahr später endlich vollendet wurde, war Mozart gezwungen, „meine Quartetten (diese mühsame Arbeit) um ein Spottgeld herzugeben, nur um in meinem Umständen Geld in die Hände zu bekommen.“ Durch die zeitliche Verzögerung hatte er auch den Plan, die Quartette König Friedrich Wilhelm II. von Preußen zu widmen und dadurch ein Gnadengeschenk zu erhalten, fallen lassen müssen.
Der König von Preußen, der ein leidenschaftlicher Cellospieler war, drückte den „Preußischen Quartetten“ dennoch seinen Stempel auf, denn zumindest im ersten und zweiten Quartett ist das Cello solistisch-konzertierend behandelt. Im dritten in F-Dur, KV 590, ist dies nur noch an manchen Stellen zu hören, wie etwa im Seitenthema des Kopfsatzes, ansonsten ist hier der konzertierende Charakter – die Zeitgenossen nannten diese Werke ausdrücklich „konzertante Quartette“ – auf alle vier Stimmen gleichmäßig verteilt. Der Satz ist weniger kontrapunktisch-dicht – wie in den sechs „Haydn-Quartetten“ Mozarts – als vielmehr aufgelockert-virtuos. Unter der Oberfläche perlender Sechzehntelläufe entfaltet sich ein „Gespräch von vier vernünftigen Leuten“ (Goethe), wie es ausgewogener kaum sein könnte. Die Experimentierfreude des jungen Mozart hat einer klassischen Balance der Stimmen und einer souveränen thematischen Arbeit Platz gemacht, die leichter scheint, als sie erreicht wurde. Denn zahlreiche Skizzen belegen, wie mühsam die Arbeit an diesen späten Quartetten Mozart tatsächlich gefallen ist. Was sich wie von selbst zu ergeben scheint – die thematischen Bezüge, die subtilen Übergänge und melodischen Varianten -, wurde im Bewußtsein des hohen Anspruchs in Wahrheit zum „belastenden Unterfangen“ (Fr. K. Wanek).
Das Hauptthema des ersten Satzes beruht auf einem dynamischen und rhythmischen Gegensatz: ruhig-aufsteigender Dreiklang im Piano, nervös-absteigende Tonleiter im Forte. Dieser Kontrast prägt den ganzen Satz bis hin zu einer rhythmischen Variante, die Durchführung und Coda bestimmt. Das Andante, eher ein Allegretto, hat ein betont schlichtes, balladenhaftes Thema, das sukzessive von Sechzehnteln überlagert wird – eine höchst subtile Variante der Variationenform. Das Menuett ist nichts weniger als ein Tanzsatz, eher schon ein Scherzo, das auf Beethoven vorausweist. Auch das Rondofinale kann man als eine Vorahnung des Beethovenschen Quartettsatzes ansehen: gegenläufige Sechzehntellinien in allen Stimmen, ausgesprochene Charakterthemen wie etwa der Molleinbruch im Forte oder die ungarische Melodie der Schlußgruppe. Die thematische Entwicklung lauscht dem Rondothema subtilste Varianten ab, worin sich der Inbegriff klassischer Quartettkunst eindrucksvoll dokumentiert.
2004:
W.A.MOZART
Quartett F-Dur, KV 590
Als Mozart im Sommer 1789 seinen letzten Zyklus von Streichquartetten begann, war der Quartettmarkt in Wien gesättigt. Verleger wie Artaria und Hoffmeister hatten im Laufe der 1780er Jahre in ununterbrochener Folge Quartettzyklen von Haydn, seinem Schüler Pleyel, von Alrechtsberger, Rosetti, Wranitzky und anderen publiziert, unter denen Mozarts eigene sechs Quartette von 1785 als eher schwere Kost herausstachen. Der Türkenkrieg von 1788/89 und andere politische Umstände führten gegen Ende des Jahrzehnts zu einem Erlahmen der rastlosen Quartett-Produktion angesichts verschlechterter Aufführungsbedingungen. Dies bekam auch Mozart zu spüren, der seine letzten drei Streichquartette KV 575, 589 und 590 unter bedrückenden finanziellen Umständen vollenden musste.
„Leben muß ich … bis meine Quartetten so ich in Arbeit habe zum Stich befördert werden – folglich würde ich, wenn ich dermalen wenigstens 600 fl. in die Hände bekäme, ziemlich ruhig schreiben können – denn ach! Ruhe gehört dazu …,“ so Mozarts Stoßseufzer an seinen Logenbruder und Geldgeber Michael Puchberg im Mai 1789. Doch Ruhe scheint ihm in den folgenden Monaten nicht vergönnt gewesen zu sein. Nachdem er das erste Quartett in D zügig vollendet und das zweite in B begonnen hatte, blieb die Arbeit mitten in KV 589 stecken. Erst im Jahr darauf schrieb Mozart den zweiten Teil des Zyklus und war nun gezwungen, „meine Quartetten (diese mühsame Arbeit) um ein Spottgeld herzugeben, nur um in meinem Umständen Geld in die Hände zu bekommen.“
Durch die Verzögerung hatte er auch den Plan aufgeben müssen, die Quartette Friedrich Wilhelm II. von Preußen zu widmen, um dafür ein Gnadengeschenk zu erhalten. Der leidenschaftliche Cellospieler auf dem preußischen Königsthron drückte den drei Werken dennoch seinen Stempel auf, weshalb man sie bis heute die „Preußischen Quartette“ nennt, obwohl sie so wienerisch wie nur irgendein Mozartwerk sind und eine Widmung an den Preußenkönig wie gesagt nicht tragen. Das Cello aber, Friedrich Wilhelms Instrument, ist in den ersten beiden Quartetten so königlich behandelt, dass man darin eine Hommage an Berlin erblickte.
Im dritten Quartett in F-Dur, KV 590, ist dies nur noch an manchen Stellen zu hören, wie etwa im Seitenthema des Kopfsatzes, ansonsten ist hier der konzertierende Charakter – die Zeitgenossen nannten diese Werke ausdrücklich „konzertante Quartette“ – auf alle vier Stimmen gleichmäßig verteilt. Der Satz ist weniger kontrapunktisch-dicht als in den sechs „Haydn-Quartetten“ Mozarts von 1782-85, vielmehr aufgelockert-virtuos. Unter der Oberfläche perlender Sechzehntelläufe entfaltet sich ein „Gespräch von vier vernünftigen Leuten“ (Goethe), wie es ausgewogener kaum sein könnte. Die harmonischen Experimente Mozarts aus den früheren Jahren haben einer klassischen Balance der Stimmen Platz gemacht, die leichter scheint, als sie erreicht wurde. Zahlreiche Skizzen belegen, wie schwer die Arbeit an diesen späten Quartetten Mozart tatsächlich gefallen ist. Was sich wie von selbst zu ergeben scheint – die thematischen Bezüge, die subtilen Übergänge und melodischen Varianten -, wurde im Bewusstsein des hohen Anspruchs der Gattung nur mit Mühe errungen.
Das Hauptthema des ersten Satzes beruht auf einem dynamischen und rhythmischen Gegensatz: ruhig-aufsteigender Dreiklang im Piano, nervös-absteigende Tonleiter im Forte. Dieser Kontrast prägt den ganzen Satz bis hin zu einer rhythmischen Variante des Themas, die Durchführung und Coda bestimmt. Das Andante, eher ein Allegretto, hat ein betont schlichtes, balladenhaftes Thema, das sukzessive von Sechzehnteln überlagert wird, eine höchst subtile Variante der Variationenform. Das Menuett ist nichts weniger als ein Tanzsatz, eher schon ein Scherzo, das auf Beethoven vorausweist. Auch das Rondofinale kann man als eine Vorahnung des Beethovenschen Quartettsatzes ansehen: gegenläufige Sechzehntellinien in allen Stimmen, ausgesprochene Charakterthemen wie etwa der Molleinbruch im Forte oder die ungarische Melodie der Schlussgruppe. Dem Rondothema lauschte Mozart ganz nach Haydns Vorbild subtilste Varianten ab, worin sich die wiener-klassische Quartettkunst aufs Allerschönste manifestiert.
Wolfgang Amadeus Mozart
Quartett F-Dur, KV 590
Preußen zeigte Mozart zu Lebzeiten die kalte Schulter. Gerne würde die deutsche Hauptstadt, die heute im Besitz der meisten Originalmanuskripte des Meisters ist, diesen Makel tilgen, doch die Fakten liegen auf der Hand. Als Mozart im April 1789 von Leipzig kommend in Potsdam eintraf und bei König Friedrich Wilhelm II. um Audienz nachsuchte, wurde er abgewiesen. Der Monarch delegierte die Anfrage schlicht an seinen Kammermusikdirektor Duport, einen bekannten Cellovirtuosen. Obwohl Mozart dem Franzosen durch Variationen über eines seiner Menuette schmeichelte, kam es vorerst nicht zur erhofften Audienz. Auch Berlin zeigte kein Interesse an dem Meister, der unverrichteter Dinge nach Leipzig zurückreiste, wo man ihn ungleich enthusiastischer aufgenommen hatte. Ein zweiter Anlauf auf die preußische Hauptstadt könnte zu einem informellen Musizieren bei der Königin geführt haben, doch das ist unsicher. Das große Konzert, die „Akademie“, zu der man Mozart in jener Zeit allenthalben einlud – in Mainz und München, Dresden und Leipzig – blieb in Berlin und Potsdam aus.
Was der Meister mit zurück nach Wien nahm, war die schwache Hoffnung, dem König wenigstens durch Werke zu imponieren und von ihm auf diesem Wege das
erhoffte Gnadengeschenk doch noch erhalten zu können. Wie wir seinem Werkverzeichnis entnehmen können, setzte er sich im Juni 1789 an zwei „preußische“ Werke: ein Quartett für „seine Mayestät, den König in Preußen“ (KV 575) und eine Klaviersonate für dessen Tochter (KV 576). Gäbe es nicht diese Hinweise im Werkverzeichnis und eine briefliche Andeutung, wir wüssten nichts von einem angeblichen preußischen Auftrag für Quartette und Sonaten. Tatsächlich hatte Mozart den König in Berlin längst aus dem Auge verloren, als er ein volles Jahr später die beiden restlichen Quartette des ersten Zyklusses vollendete: im Mai 1790 das B-Dur-Quartett, KV 589, im Juni das F-Dur-Quartett, KV 590, das in unserem Konzert erklingt.
Trotz dieser mehr als vagen Verbindung mit Berlin kamen die drei Werke zu der Ehre, als „Preußische Quartette“ in die Musikgeschichte einzugehen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass sie so österreichisch sind wie nur irgendein Werk der Wiener Klassik. Mozart hat sie in Wien komponiert, dort uraufgeführt und dort zum Druck gegeben, der freilich erst wenige Wochen nach seinem Tod im Dezember 1791 erschien – ohne eine Widmung an den Preußenkönig, der diese Stücke nie als die seinen zu Gesicht bekam.
Über die ersten Aufführungen dieser Quartette sind wir relativ gut informiert. Mozart veranstaltete im Advent 1790 und noch einmal im Frühjahr 1791 in Wien „Quartett-Subskriptionsmusiken“, also Kammermusikabende für zahlende Zuhörer. Im Rahmen dieser Konzerte erlebten neben den späten Streichquintetten auch seine „Preußischen Quartette“ ihre Uraufführungen. Gespielt wurden sie von zwei Wiener Geigern, dem Komponisten an der Bratsche und dem Solocellisten der kaiserlichen Hofkapelle, Joseph Orsler. Ihm blieb es vorbehalten, die Cellosoli aus der Taufe zu heben, die Mozart ursprünglich für den König von Preußen bestimmt hatte – ein wahrhaft königliches Vergnügen! Übrigens nahm Joseph Haydn vor seiner Abreise aus London nachweislich an Mozarts Quartettabenden teil. Es ist wahrscheinlich, dass dabei auch Werke aus Opus 64 erklangen. KV 590 und das „Lerchenquartett“ könnten also schon anno 1790 in Wien im selben Programm gespielt worden sein.