Exil | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Volker David Kirchner

Exil

„Exil“ für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier (1995)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3011

Satzbezeichnungen

1. Introduktion und Peripetie.
Misterioso – Flessibile e molto ritmico

2. Abgewandt (In memoriam Miles Davis)

3. Isolation

4. Abschied

5. Tenebrae und Epitaph (… mit Namen, getränkt von jedem Exil … )

Erläuterungen

EXIL hat Kirchner für die Musikalische Akademie in Stuttgart komponiert, wo es am 7. Mai 1995 uraufgeführt wurde. Ursprünglich als Hommage an Bartók gedacht, gewann die Komposition im Laufe der Arbeit eine weiterreichende Perspektive, wie Kirchner im Gespräch erläuterte:
„In meiner Komposition Exil wird angespielt auf Kompositionen, Literatur der in die Emigration Gegangenen, obwohl es keine direkten Zitate gibt; es wird angespielt auch auf innere Emigration, die mich selber betrifft, d. h. das Abseits-vom-Mainstream-Sein. Das Stück stellt den Rückzug in sich selber dar, den Versuch, in sich hineinzuhören, und sich nicht von dem, was erwartet wird, zu bedienen. Es ist ein sehr depressives Stück, in dem es viele Selbstzitate gibt. Der erste Satz zitiert das Credo-Thema aus meiner Missa, in dem Isolation genannten dritten Satz ist die Geigenstimme ein Zitat aus dem zweiten Satz meines Violinkonzerts.
Wenn man in dem Stück so etwas wie eine Geschichte entdecken will, so könnte sie etwa so lauten: der erste Satz Introduktion und Peripethie (Misterioso) zeigt das Sich-Abwenden, der zweite Satz Abgewandt (In memoriam Miles Davis. Bluestempo) das Leben in der Isolation. Hier beziehe ich mich auf die Musik von Miles Davis, erstens, weil ich ihn sehr bewundere; zweitens weil seine Musik, die schwarze Musik Amerikas überhaupt, für mich Emigrationsmusik ist, ein Symbol für die Situation, im eigenen Land in der Diaspora zu sein. Im dritten Satz Isolation gibt es eine Art Choreographie: alle wenden sich voneinander ab, jeder spielt – andeutungsweise im Raum verteilt – seine eigene Musik; diese Choreographie ist kein theatralischer Gag, sondern Inhalt: das klanglich-räumliche Sich-Abwenden ist eine Metapher für unsere Musik, für das vielschichtige Nebeneinander verschiedener Ästhetiken, die alle unabhängig voneinander existieren. Im vierten Satz Abschied findet eine atmosphärische Annäherung an Klezmer-Musik statt. Dieser Satz kehrt zurück zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen: der Emigration nach innen und nach außen.“