Streichtrio Nr. 2, op. 57 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Robert Wittinger

Streichtrio Nr. 2, op. 57

Trio per archi Nr. 2, op. 57 (1996/97)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 3003

Satzbezeichnungen

1. Lento

2. Scherzo – Trio

3. Grave (Torpore)

4. Allegro – Finale

Erläuterungen

RÓBERT WITTINGER wurde 1945 in Knittelfeld in der Steiermark geboren und wuchs in Budapest auf. 1961 begann er sein Kompositionsstudium am Béla Bartók-Konservatorium bei R. Sugár und J. Soproni, 1963-65 setzte er es bei Zs. Durkó und R. Maros fort. Während eines Aufenthaltes in Warschau1964 traf er mit W. Lutoslawski zusammen. 1965 erhielt er auf Empfehlung von György Ligeti ein DAAD-Stipendium und siedelte in die Bundesrepublik über. Dort besuchte er einen Kurs für Elektronische Musik in München sowie 1965-72 die Ferienkurse für Neue Musik in Darmstadt. 1966 erhielt er erste Kompositionsaufträge (IGNM-Weltmusikfest, Donaueschingen, Darmstadt). Musiker wie Siegfried Palm und Michael Gielen setzten sich für seine Werke ein; er erhielt mehrere Kompositionspreise (1967 vom SWF Baden-Baden, 1968 und 1970 von der Stadt Stuttgart, 1971 beim Bartók-Wettbewerb in Budapest). In den 70er Jahren war Wittinger u. a. Leiter der ars nova-Konzerte in Stuttgart, bekam das Villa Massimo-Stipendium für Rom (1972/73) und hielt sich in der Villa Romana in Florenz auf (1974). 1976 unternahm er eine sehr erfolgreiche Amerikareise.
Dem Land Rheinland-Pfalz ist Róbert Wittinger besonders eng verbunden. 1984 gründete er den internationalen Kompositionswettbewerb Hambacher Preis. 1988 erhielt er die Cornelius-Plakette der Stadt Mainz und 1989 den Staatspreis Rheinland-Pfalz. Er lebte jahrelang als freischaffender Komponist in Neustadt/Hambach, heute in Bensheim. Seine Werke umfassen alle Gattungen der sinfonischen Musik, Kammermusik, ein Requiem und eine Oper. Seit 1969 wurden mehrere Schallplatten und CDs von Wittingers Werken produziert.
Neben seinem Trio per Archi hat Róbert Wittinger im Auftrag der Villa Musica ein zweites Streichtrio geschrieben, das in der Saison 1997/98 uraufgeführt wird.

2002
RÓBERT WITTINGER
Streichtrio Nr. 2 (Uraufführung)

Im Januar 1997 vollendete Róbert Wittinger in Bensheim sein zweites Streichtrio – zehn Jahre nach dem ersten. Es ist ein Auftragswerk der Landesstiftung Villa Musica und dem Budapest Trio gewidmet. Die Musiker um Ferenc Kiss gehören zu Wittingers bevorzugten Kammerensembles. Bereits 1993 brachten sie gemeinsam mit Stipendiaten der Villa Musica sein 2. Streichsextett in Villa Musica-Konzerten zur Uraufführung. Auf diesen Auftrag folgte das 2. Streichtrio, dessen mehrmals angesetzte Uraufführung sich freilich bis heute verzögert hat.

Im Gegensatz zum ersten Streichtrio, das in großer Drei- bzw. Neunteiligkeit angelegt ist, folgt das zweite der viersätzigen Form klassisch-romantischer Prägung. Allerdings ist das erste Allegro durch einen langsamen Satz ersetzt. Darauf folgen traditionsgemäß Scherzo, Grave und Allegro-Finale.

Im einleitenden Lento spielt das Trio con sordino (mit Dämpfer) und dolce sempre (immer zart) einen dreistimmigen Klagegesang aus Seufzermotiven über absteigendem gezupftem Bass – eine melancholische Einleitung. Die insistierende Sekunde f‘‚-g‘‚ der Geige weitet sich bis zum dreigestrichenen fis. Pizzicato-Töne werden eingestreut, bis alle drei Stimmen coll’arco einen kompakten Gesang in Gegenbewegung anstimmen. Das eigentliche Hauptthema behält die Gegenbewegung bei, ist jedoch chromatisch und von Legato-Triolen geprägt. Im freien Spiel gegenläufiger Linie entfaltet es ein hohes Maß an Expressivität. In mehreren Steigerungen (ab der zweiten ohne Dämpfer) werden Höhepunkte erreicht und wieder zurückgenommen. Doppelgriffe im fortissimo und ein subito piano bereiten die letzte dynamische Steigerung des Hauptthemas und seiner Seufzermotive vor.

Das Scherzo kombiniert nachschlagende Sechzehntel und Tremoli in Geige und Bratsche mit Bartók-Pizzicati des Cello. Der Klang wirkt fast irreal, da wieder Dämpfer eingesetzt werden. Das zweite Thema senza sordini bringt dann den Durchbruch heftig attackierender Rhythmen im Stil Bartóks, die bis zum Eintritt des Trios dominieren. Letzteres verwandelt die nachschlagenden Sechzehntel des Haupttteils in einen gespenstischen sul ponticello-Klang und verliert sich anschließend in träumerischen Con sordino-Sequenzen in hoher Lage. Die Rückkehr der wilden Synkopen bereitet die Reprise des Scherzo-Hauptteils vor.
Eine Kombination aus Sul Ponticello und Pizzicato prägt den Beginn des Grave. Hier ist es das Intervall der kleinen None, das dominiert. Sie wird gleich zu Beginn in den Doppelgriffen aller drei Instrumente exponiert. Die scharfe Dissonanz prägt in schwer lastenden Akzenten den Duktus des Satzes. Im Wechsel mit wild aufflackernden Passagen entsteht ein pathetischer Klagegesang, dem Wittinger den Untertitel Torpore gab.

Das Finale beginnt als ganz traditioneller Allegrosatz, dessen Thematik von imitatorischen Triolen, einem kraftvollen Achtelmotiv und Spiccato-Läufen bestimmt wird. Im Mittelteil freilich kehrt die kleine None aus dem langsamen Satz wieder und walzt die übrigen Motive in einem brutalen Geschwindmarsch nieder, der bis zum Ende des Satzes anhält.