Italienische Serenade für zwei Violinen, Viola und Violoncello
Werkverzeichnisnummer: 2996
Molto vivo
Am 15. Oktober 1886 machte Hugo Wolf die schmerzlichste Erfahrung seiner gesamten Karriere: Als Zaungast musste er miterleben, wie die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter seine sinfonische Ouvertüre Penthesilea zunächst einem schlampigen Probedurchlauf unterzogen, dann auslachten und schließlich mit der Bemerkung von einem potentiellen Konzertprogramm strichen, dass der Komponist solcher Musik nicht das Recht habe, Meister Brahms in der Presse zu attackieren. Da es für Wolf die erste Chance gewesen war, eines seiner Orchesterwerke überhaupt zu hören, fiel seine erste Reaktion entsprechend heftig aus. Mit größerer Distanz scheint er zu Beginn des folgenden Jahres aus der Erfahrung zwei Konsequenzen gezogen zu haben: einen Neuanfang als Instrumentalkomponist und das Ende seiner Kritikerlaufbahn. Mit der Anfang 1887 komponierten Italienischen Serenade wagte er sich auf neues Terrain: in das konzentrierte Milieu des Streichquartetts und auf das heitere Parkett einer ironischen Ständchenszene. Im April veröffentlichte er seine letzte Musikkritik im Wiener Salonblatt. Der Stürmer und Dränger Wolf dankte ab.
„Leichtfüßig und delikat“ nannte Frank Walker in seiner Wolf-Biographie jenen Serenadensatz, der bis heute noch jedes Quartettpublikum in Verzücken versetzt hat. Nach anfänglichem Stimmen überlassen sich die Spieler dem Perpetuum mobile eines scherzhaften Themas, das in immer neuen Varianten hervorsprudelt. Die Episoden der Rondoform vertiefen den Eindruck, dass es sich um quasi-szenische Musik handele. Im ersten Couplet scheint der Liebhaber sein Ständchen mit seiner sentimentalen Note würzen zu wollen; im zweiten erklärt er sich in Form eines Cellorezitativs deutlicher, während der Rest des Quartetts sich einen gewissen Spott nicht verkneifen kann. Dreimal bringt er sein Anliegen vor, dann zeigt ein neues Thema über bewusst monotoner Begleitung, dass sein Gesang nicht vom erhofften Erfolg gekrönt war. In wieder auflebender Tanzlaune zieht das kleine Ensemble von dannen.
2004:
HUGO WOLF
Italienische Serenade
Mit seiner köstlichen Serenaden-Szene für vier Streicher hat Hugo Wolf der Wiener Quartettliteratur ein echtes „Schmankerl“ geschenkt, dessen heitere Gelöstheit in diametralem Gegensatz zu der niederschmetternden Erfahrung steht, die der junge Wolf kurz zuvor in Wien hatte machen müssen und die er in der Serenade gleichsam sublimierte. Es war die Total-Vernichtung seiner sinfonischen Ouvertüre Penthesilea in einer Orchesterprobe der Wiener Philharmoniker.
Es bekam dem jungen Mann aus der steirischen Provinz schlecht, dass er sich als Kritiker des Wiener Salonblatts am geheiligten Johannes Brahms verging und dessen große Werke in einer Weise zerriss, die Brahms selbst mit Schmunzeln quittierte, seine Verehrer aber auf die Barrikaden trieb. Der Kritiker Wolf verdarb dem Komponisten Wolf die Zukunft: Am 15. Oktober 1886 musste er als Zaungast miterleben, wie die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter seine sinfonische Ouvertüre Penthesilea förmlich hinrichteten, wie sie das Stück in einer ihrer Novitätenproben erst einem schlampigen Durchlauf unterzogen, dann verlachten und schließlich mit der Bemerkung von einem potentiellen Konzertprogramm strichen, dass der Komponist solcher Musik nicht das Recht habe, Meister Brahms in der Presse zu attackieren.
Da es für Wolf die erste Chance gewesen war, eines seiner Orchesterwerke überhaupt zu hören, fiel seine erste Reaktion entsprechend heftig aus. Mit größerer Distanz scheint er zu Beginn des folgenden Jahres aus der Erfahrung zwei Konsequenzen gezogen zu haben: einen Neuanfang als Instrumentalkomponist und das Ende seiner Kritikerlaufbahn.
Mit der Anfang 1887 komponierten Italienischen Serenade wagte er sich auf das Terrain des Streichquartetts und auf das heitere Parkett einer ironischen Ständchen-szene. Im April veröffentlichte er seine letzte Musikkritik im Wiener Salonblatt.
„Leichtfüßig und delikat“ nannte Frank Walker in seiner Wolf-Biographie jenen Serenadensatz, der bis heute jedes Quartettpublikum in Verzücken versetzt. Nach anfänglichem Stimmen überlassen sich die Spieler dem Perpetuum mobile eines scherzhaften Themas, das in immer neuen Varianten hervorsprudelt. Die Episoden der Rondoform vertiefen den Eindruck, dass es sich um quasi-szenische Musik handele. Im ersten Couplet scheint der Liebhaber das Ständchen unter dem Fenster seiner Angebeteten mit einer sentimentalen Note würzen zu wollen; im zweiten erklärt er sich in Form eines Cellorezitativs deutlicher, während der Rest des Quartetts sich einen gewissen Spott nicht verkneifen kann. Dreimal bringt er sein Anliegen vor, dann zeigt ein neues Thema über bewusst monotoner Begleitung, dass sein Gesang nicht vom erhofften Erfolg gekrönt war. In wieder auflebender Tanzlaune zieht das kleine Ensemble von dannen.
2003
HUGO WOLF
Italienische Serenade
Fasching 1866. Damen eines Grazer Kostümverleihs verpacken ein Mozart-Kostüm aus schwarzem Samt mit hellblauen Aufschlägen. Versandadresse: Windischgraz im slowenischen Süden der Steiermark. Der kleine Bub, der es tragen soll, ist selber ein kleiner Mozart, mit kaum sechs Jahren zweiter Geiger im Orchester seiner Geschwister, das der musikbesessene Herr Papa zum Windischgrazer Maskenball aufspielen lässt. „Hugerl“, wie ihn sein Schullehrer Sebastian Weixler in einer Polka nennt, wird seiner Rolle gerecht. Die Kindergeige in der Hand spielt er auf, bis er um Mitternacht dem Vater erschöpft in die Arme sinkt.
An einem Faschingssonntag 37 Jahre später endet das Leben des Musikers Hugo Wolf: In der niederösterreichischen Landesirrenanstalt im Alsergrund zu Wien stirbt er am 22. Februar 1903 an den Folgen einer Lungenentzündung. Viereinhalb Jahre hatte er in der Anstalt dahin vegetiert, Paralyse als Folge einer Syphillis-Infektion. Fünf Jahre früher wieder im Fasching hatte er erfahren, dass er unheilbar krank war.
Die tragischen Eckpunkte seiner Lebensgeschichte mögen daran erinnern, welches Schicksal Hugo Wolf ereilte und wie viel Weltschmerz sich hinter seinen oft humoristischen Liedern und Instrumentalwerken verbarg. Am 22. Februar gedachte die Musikwelt – nicht eben eifrig – seines 100. Todestages. Obwohl sich seine Kammermusik auf wenige Werke beschränkt, mag es reizvoll sein, mit der Italienischen Serenade an seine kindliche Ausbildung als Geiger in den Fußstapfen seines Vaters zu erinnern.
Letzterer, der gerne selbst Musiker geworden wäre, statt das Lederkontor seiner Familie in Windischgraz zu leiten, erzog alle seine Kinder zur Musik und stellte mit ihnen sogar ein regelrechtes Orchester zusammen. Hier sammelte Hugo Wolf seine ersten Erfahrungen mit Serenadenmusik – seine Italienische Serenade legte viel später davon Zeugnis ab. Italienische Musik, deren Duktus er in diesem köstlichen Satz nachahmte, hat er ebenfalls schon in der südsteirischen Heimat kennengelernt. Aus den Bestellungen seines Vaters bei Grazer Musikalienhänderln kann man folgern, dass die erste Literatur des kleinen Hugerl auf der Geige in Potpourries aus italienischen Belcanto-Opern bestand. Eine Donizetti-Oper am Klagenfurter Theater war sein erstes Opernerlebnis. Später, in seiner Wiener Studienzeit, verdrängte die Musik Richard Wagners alles andere, doch in der Italienischen Serenade hat sich Wolf an seine kindliche Begeisterung fürs italienische Fach erinnert.
Was dem Stück vorausging, war eine der großen Niederlagen seines Lebens. Am 15. Oktober 1886 musste der fassungslose Komponist miterleben, wie die Wiener Philharmoniker unter Hans Richter seine sinfonische Ouvertüre Penthesilea zunächst einem schlampigen Probedurchlauf unterzogen, dann auslachten und schließlich mit der Bemerkung beiseite legten, dass der Komponist solcher Musik nicht das Recht habe, „Meister Brahms“ als Musikkritiker in der Presse zu attackieren. Da es für Wolf die erste Chance gewesen war, eines seiner Orchesterwerke überhaupt zu hören, fiel seine Reaktion entsprechend heftig aus.
Zu Beginn des folgenden Jahres zog er daraus zwei Konsequenzen: einen Neuanfang als Instrumentalkomponist und das Ende seiner Kritikerlaufbahn. Mit der Anfang 1887 komponierten Italienischen Serenade wagte er sich auf neues Terrain – in das konzentrierte Milieu des Streichquartetts und auf das heitere Parkett einer ironischen Ständchenszene. Im April veröffentlichte er seine letzte Musikkritik im Wiener Salonblatt. Der Stürmer und Dränger Hugo Wolf dankte ab.
„Leichtfüßig und delikat“ nannte Frank Walker in seiner Wolf-Biographie die Serenade, die bis heute noch jedes Quartettpublikum in Verzücken versetzt hat. Nach anfänglichem Stimmen überlassen sich die Spieler dem Perpetuum mobile eines scherzhaften Themas, das in immer neuen Varianten hervorsprudelt. Die Episoden der Rondoform vertiefen den Eindruck, dass es sich um quasi-szenische Musik handele. Im ersten Couplet scheint der Liebhaber sein Ständchen mit einer sentimentalen Note würzen zu wollen; im zweiten erklärt er sich in Form eines Cellorezitativs deutlicher, während die anderen Spieler des Quartetts sich einen gewissen Spott nicht verkneifen können. Dreimal bringt er sein Anliegen vor, dann zeigt ein neues Thema über bewusst monotoner Begleitung, dass sein Gesang nicht vom erhofften Erfolg gekrönt war. In wieder auflebender Tanzlaune zieht das kleine Ensemble von dannen – vor das Fenster der nächsten, widerspenstigen Schönen.