Tema Con Variazioni | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Jean Françaix

Tema Con Variazioni

Tema Con Variazioni für Klarinette und Klavier (Orchester)

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2992

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

2002
Man könnte sagen, Jean Françaix sei eigens in die Welt gekommen, um zu beweisen, dass man mitten in den musikalischen Strömungen des zerfurchten 20. Jahrhunderts auch die alte Tugend geistreicher Unterhaltung pflegen könne. Seine gleichermaßen virtuosen wie eleganten, klangschönen wie witzigen Kammermusiken haben Zuhörer auf der ganzen Welt erfreut, gleichgültig, was strengere Ästhetiker davon halten mochten. Thema mit Variationen für Klarinette und Klavier wurde 1974 zu dem gleichen Zweck geschrieben wie ähnliche Klarinettenstücke, etwa von Debussy: als „Morceau de Concours“, als Prüfungsstück für die Klarinettenklassen am Pariser Konservatorium. Daraus erklärt sich ihre geradezu aberwitzige Virtuosität, die an die „Variations brillants“ des 19. Jahrhunderts anknüpft.

Die Variationen lassen ganz jenen Geist heiterer Nonchalance erkennen, der auch aus der Autobiographie des Komponisten spricht: „Die Tatsache, dass ich in Le Mans, der Stadt des 24-Stunden-Rennens, geboren wurde, dürfte den übersättigten Leser wohl kaum interessieren – allerhöchstens, dass Le Mans von einer prächtigen Kathedrale überragt wird… Mein Vater besaß die Ausgeglichenheit und den Eigensinn der Menschen im Norden Frankreichs. Meine Mutter hingegen hatte, obgleich in Le Mans geboren, ein feuriges Temperament und entstammte einer lothringischen Familie. Wie sich das gehört, habe ich von beiden etwas mitbekommen: Das Feuer wirft den Schein auf mein ansonsten ruhiges Gemüt.

Mein einziger ‚Leistungsnachweis‘ ist ein erster Preis bei einem Klavierwettbewerb am Pariser Konservatorium – was ja nicht gerade viel ist. Verschiedene Orden zieren meine Brust, doch ist auch dies in Frankreich nichts Außergewöhnliches. Meine Lehrerin, Nadia Boulanger, hat sich stets vergeblich bemüht, mir Harmonie und Kontrapunkt oder gar das Schreiben von Fugen beizubringen. Um aber ihren Ruf zu wahren, pflegte sie zu sagen, ich würde dies alles instinktiv beherrschen. Doch will ich ehrlich sein: Beim Komponieren sind die schönen Theorien das allerletzte, woran ich denke. In erster Linie sind es nicht die ‚gedanklichen Autobahnen‘, denen mein Interesse gilt, sondern die ‚Waldwege‘. Den Freunden gerader Linien aber sei gesagt: Obgleich ich wohl in der Lage bin, meine Werke vorzutragen und zu dirigieren, bin ich doch seit meiner frühesten Jugend vom Komponieren wie besessen. Ein leeres Blatt, auf dem allmählich das Werk entsteht – welch ein Sinnenrausch! Seinem persönlichen Gefängnis entfliehen zu können – welch Privileg! Und dies ganz ohne Risiko: Denn sollte sich die Botschaft einmal als wertlos erweisen, so werde ich nicht mehr auf dieser Welt sein. Gott wird mich trösten – wenn er gewillt ist, mich zu sich zu nehmen.“ Françaix wird seit 1997 – hoffentlich – von Gott getröstet. Die Botschaft seiner Musik hat sich als zwar leichtgewichtig, aber keineswegs wertlos erwiesen.