Klarinettensonate f-Moll, op. 120,1 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Johannes Brahms

Klarinettensonate f-Moll, op. 120,1

Sonate Nr. 1 f-Moll Klavier und Klarinette (Viola), op. 120,1

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2991

Satzbezeichnungen

1. Allegro appassionato

2. Andante un poco Adagio

3. Allegretto grazioso

4. Vivace

Erläuterungen

2002

JOHANNES BRAHMS
Sonate f-Moll, op. 120,1

Johannes Brahms schrieb seine beiden Klarinettensonaten 1894, drei Jahre vor seinem Tode, für den Meininger Klarinettisten Richard Mühlfeld. Mühlfeld, der sich in der Meininger Hofkapelle autodidaktisch vom Tuttigeiger zum Soloklarinettisten ausgebildet hatte, wurde von seinen Zeitgenossen wegen seines unvergleichlichen Spiels gerühmt. Interpret und Instrument waren in ihm so eindrucksvoll zur Einheit verschmolzen, dass sie den Berliner Maler Adolf Menzel zu einer Zeichnung inspirierten, in der er Mühlfeld mit der Muse Euterpe gleichsetzte. Auch Brahms war hingerissen – so hingerissen, dass er 1891 seinen im Vorjahr gefassten Entschluss, das Komponieren aufzugeben, noch einmal überdachte. Es war eine schicksalhafte Begegnung, denn wir verdanken Mühlfeld die unvergleichen späten Klarinettenwerke des Komponisten: das Klarinettentrio und -quintett von 1891 und die beiden Sonaten von 1894. Obwohl Brahms letztere alternativ für Klarinette und Bratsche herausgab, war es doch „Fräulein Klarinette“, wie er das Instrument scherzhaft nannte, die ihn zu diesen Stücken inspirierte.

So licht und abgeklärt die zweite Sonate in Es-Dur wirkt, so düster und schwermütig beginnt die erste. Brahms verwendete hier die Tonart f-Moll, eine Lieblingstonart Beethovens und der Romantik, deren dunkel-tragischen Charakter er selbst jedoch nur an wenigen Stellen in seinem Schaffen bemühte: in der Klaviersonate, op. 5, dem Klavierquintett, op. 34, und dem Finale der 3. Sinfonie. All diese Stücke beginnen wie die späte Klarinettensonate mit einem düsteren Motto in Oktaven. Hier wird es vom Klavier vorgetragen und von der Klarinette mit einem leidenschaftlichen Thema im Dreiertakt beantwortet. Dieses eigentliche Hauptthema, das vom Klavier aufgegriffen wird, wirkt wie ein ins Schmerzliche verzerrter Ländler. Die charakteristischen Dezimensprünge sind ganz aus dem Klang der Klarinette heraus entwickelt, wie bereits Brahms‘ erster Biograph Max Kalbeck feststellte: „Brahms brauchte den schneidenden und schluchzenden Klang des damit verbundenen, der Klarinette erlaubten, ihr besonders eigentümlichen jähen Registerwechsels, um der Klage seiner Melodie den tiefergehenden Ausdruck zu geben.“ Der ganze Satz wirkt wie ein leidenschaftlicher Dialog über diese Klage-Melodie, in den besinnliche Passagen in Dur eingestreut sind. Die Sonatenform hat Brahms hier scheinbar so frei gehandhabt, immer wieder durchsetzt von den unruhig flackernden Klängen des Seitenthemas, dass sich der Satz beim ersten Hören kaum erschließt. Sein entscheidender Moment ist die Coda, ein langsamer und ausdrucksvoller Gesang (Sostenuto ed espressivo), der dem Hauptthema eine letzte wehmütige Wendung gibt, bevor ganz am Ende F-Dur erreicht wird.

Damit ist der Boden für die freundlicheren Sätze 2 bis 4 bereitet. Das zum Adagio verlangsamte Andante ist ein seliger Gesang der Klarinette. Sein Hauptmotiv – eine Arabeske – wird durch wundervolle Vorhalte im Klavier zu wehmütigem Ausdruck gesteigert. Eine Art Berceuse des Klaviers bildet das Gegenmotiv. Die Welt der späten Klavier-Intermezzi von Brahms hat diesen Satz geprägt.

Von österreichisch-robuster Art ist der As-Dur-Ländler des dritten Satzes mit seinem duftigen Klaviersolo im Trio. Das Finale erreicht dann endlich F-Dur, und zwar in Form eines fast übermütigen, humorvollen Rondos.