Sextett g-Moll, op. 55 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Hans Pfitzner

Sextett g-Moll, op. 55

Sextett für Klarinette, Streichtrio, Kontrabass und Klavier g-Moll, op. 55

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2975

Satzbezeichnungen

1. Allegro con passione

2. Quasi minuetto

3. Rondoletto. Allegretto

4. Semplice, misterioso

5. Comodo

Erläuterungen

Das Sextett für Klarinette, Streichtrio, Kontrabass und Klavier war Hans Pfitzners letztes Kammermusikwerk. Es entstand in den Wirren der ersten Nachkriegsmonate im Sommer und Frühherbst 1945. Durch die Bombenangriffe auf München „heimlos“ geworden, hatte der Komponist in Folge eines Armbruchs Obdach in einem Krankenhaus in Garmisch-Partenkirchen gefunden, „die einzige Art von Beherbergung, wo man nicht selbst für eben diese Dinge sich kümmern muß, etwa durch stundenlanges Schlange-Stehen oder dergleichen. (So sieht mein Glück im Leben aus!)“ Am schwierigsten war Papier für die Partitur aufzutreiben: „nur durch Zufall habe ich das notwendige Notenpapier bekommen, nebenbei ein unglaublich schlechtes, welches zu reißen droht (und nicht nur droht), wenn man es anfaßt.“

Natürlich konnte er auch das vollendete Manuskript nirgends fotokopieren, so dass der Komponist geradezu ängstlich darauf bedacht war, das Original dem Verleger selbst in die Hand zu geben. Aber auch in dieser Hinsicht erlebte er zunächst nur Enttäuschungen: Ein Brief an den Verleger Brockhaus ging in der sowjetisch besetzten Zone verloren, Ludwig Strecker vom Schott-Verlag reagierte gekränkt darauf, dass das Werk erst einem anderen angeboten worden war, und auch mit dem Berliner Verleger Oertel, der das Werk schließlich übernahm, zogen sich die Verhandlungen hin. Pfitzners Kommentar zeugt von Verbitterung: „Erst, als junger Mensch, geht man mit Meisterwerken hausieren und findet verschlossene Thüren. Später, im Alter, wenn man am Leben geblieben ist, und man sich in Bezug auf Verleger in einer embarasse de richesse gefindet, muß man wiederum das büßen…“

Nachdem er die Uraufführung bei einem amerikanischen Captain in München höchstselbst hatte beantragen müssen – auch dies eine völlig neue Situation für den renommierten Komponisten -, kam das Sextett dann schließlich doch im April 1946 in Berlin zur Uraufführung. Im Vorfeld beharrte Pfitzner darauf, dass „die Ausführenden mit der nötigen Begeisterung dabei sind und sich bewußt sind, daß die Uraufführung eines neuen Werkes von mir nicht eine x-beliebige Verpflichtung ist.“ Dennoch war das Echo auf diese Premiere gering. In der „Stunde Null“ verhallte das Alterswerk des durch seine Nazi-Kontakte diskreditierten Meisters beinahe ungehört.

Schon während der Arbeit an der Partitur gab Pfitzner eine kurze Charakterisierung des Werkes: „Ich nenne es ‚Suite‘, weil es im Stil leichter ist, als etwa das Klavierquintett… Die Umstände und Mißstände, unter denen es entsteht, stehen in großem Kontrast zu der problemlosen und unbeschwerten Heiterkeit, die das Ganze durchzieht. „

In der Tat mutet die fünfsätzige Anlage mit ihren tänzerischen Akzenten suitenartig an. Auf einen Sonatensatz im Dreivierteltakt folgen zwei Tanzsätze (Menuett und Scherzo). Das Adagio, eine Art langsamer Walzer, dient als Einleitung zum tänzerischen Finale. Zu den Sätzen bemerkte der Pfitzner-Biograph Hans Rutz im einzelnen:

„Allegro con passione (3/4, g-Moll): Die Klarinette beginnt mit einen einfachen Thema. Ein kurzer Nachsatz führt zu einem zweiten Gedanken, den das Klavier ‚tranquillo‘ vorträgt, von der Klarinette zunächst umspielt und dann übernommen.
Quasi minuetto (G-Dur, 3/4): Ein behendes Dreiklangsthema … im Wechsel zwischen Klavier und den übrigen Instrumenten enthüllt bald durch Bevorzugung des in ihm wohnenden rhythmischen Walzermotivs seinen Tanzcharakter.
Rondoletto (Allegretto, 3/4, Es-Dur): Die Elemente eines fast burschikos-witzigen Themas der Violine, von der Viola kontrapunktiert, breiten sich schnell über alle Instrumente aus … Immer veränderte Wieder-Aufnahme des Rondo-Gedankens.
Semplice, misterioso (3/4, E-Dur): Das Walzerthema des zweiten Satzes scheint in geheimnisvoller, jedoch ganz einfacher Wandlung seines Charakters wiederzukehren… Aus der Schlußbewegung entwickelt sich der unmittelbar anschließende Schlußsatz Comodo (4/4, G-Dur) in spielerischen Achteln… [Er] erinnert von weit her an Schumann, ohne romantischen Überschwang wie in früheren Werken, aber nicht weniger tief und echt.“

Für das Sextett als Ganzes gilt, was Bruno Walter über die Alterswerke Pfitzners schrieb: „Der gewaltige Dramatiker, der erfindungsreiche Lyriker… war mir kaum mehr kenntlich in den so viel leiseren Lauten, die mir aus diesen letzten Kompositionen entgegenklangen. Es ist eine Stille, fast möchte ich sagen, eine betonte Stille in ihnen, eine Abgewandtheit von der Art des Dramatikers…, die mir neu war, und an die ich mich erst gewöhnen mußte…“.

2002
HANS PFITZNER
Sextett (1945)

Pfitzners Sextett für Klarinette, Streichtrio, Kontrabass und Klavier entstand in den Wirren der Nachkriegsmonate 1945. Durch die Bombenangriffe auf München „heimlos“ geworden, hatte der Komponist in Folge eines Armbruchs Obdach in einem Krankenhaus in Garmisch gefunden, „die einzige Art von Beherbergung, wo man nicht selbst für eben diese Dinge sich kümmern muß, etwa durch stundenlanges Schlange-Stehen oder dergleichen.“ Am schwierigsten war Papier für die Partitur aufzutreiben: „nur durch Zufall habe ich das notwendige Notenpapier bekommen, nebenbei ein unglaublich schlechtes, welches zu reißen droht (und nicht nur droht), wenn man es anfaßt.“

Das fertige Manuskript konnte er nirgends fotokopieren, so dass er ängstlich darauf bedacht war, es dem Verleger selbst in die Hand zu geben. Aber auch in dieser Hinsicht erlebte er zunächst nur Enttäuschungen: Ein Brief an den Verleger Brockhaus ging in der sowjetisch besetzten Zone verloren, Ludwig Strecker vom Schott-Verlag reagierte gekränkt darauf, dass das Werk erst einem anderen angeboten worden war, und auch mit dem Berliner Verleger Oertel, der das Werk schließlich übernahm, zogen sich die Verhandlungen hin. Pfitzners Kommentar zeugt von Verbitterung: „Erst, als junger Mensch, geht man mit Meisterwerken hausieren und findet verschlossene Thüren. Später, im Alter, wenn man am Leben geblieben ist, und man sich in Bezug auf Verleger in einer embarasse de richesse gefindet, muß man wiederum das büßen.“

Nachdem er die Aufführung zunächst bei einem amerikanischen Captain in München beantragen musste, kam das Sextett schließlich doch im April 1946 in Berlin zur Uraufführung. Im Vorfeld beharrte Pfitzner darauf, dass die Uraufführung eines neuen Werkes von ihm „nicht eine x-beliebige Verpflichtung“ sei. Dennoch war das Echo gering. In der „Stunde Null“ verhallte das Alterswerk des durch seine Nazi-Kontakte diskreditierten Meisters nahezu ungehört.

Schon während der Arbeit an der Partitur gab Pfitzner eine kurze Charakterisierung des Werkes: „Ich nenne es ‚Suite‘, weil es im Stil leichter ist, als etwa das Klavierquintett … Die Umstände und Mißstände, unter denen es entsteht, stehen in großem Kontrast zu der problemlosen und unbeschwerten Heiterkeit, die das Ganze durchzieht.“ In der Tat mutet die fünfsätzige Anlage mit ihren tänzerischen Akzenten suitenartig an. Auf einen Sonatensatz im Dreivierteltakt folgen zwei Tanzsätze. Das Adagio, ein langsamer Walzer, dient als Einleitung zum tänzerischen Finale. Satzbezeichnungen wie kleines Rondo oder gemütlich deuten auf eine Ausdruckshaltung hin, wie sie treffend Bruno Walter beschrieb: „Der gewaltige Dramatiker […] war mir kaum mehr kenntlich in den so viel leiseren Lauten, die mir aus diesen letzten Kompositionen entgegenklangen. Es ist eine Stille, fast möchte ich sagen, eine betonte Stille in ihnen.“
Zu den fünf Sätzen bemerkte der Pfitzner-Biograph Hans Rutz: „Allegro con passione (3/4, g-Moll): Die Klarinette beginnt mit einem einfachen Thema. Ein kurzer Nachsatz führt zu einem zweiten Gedanken, den das Klavier ‚tranquillo‘ vorträgt, von der Klarinette zunächst umspielt und dann übernommen. – Quasi minuetto (G-Dur, 3/4): Ein behendes Dreiklangsthema […] im Wechsel zwischen Klavier und den übrigen Instrumenten enthüllt bald durch Bevorzugung des in ihm wohnenden rhythmischen Walzermotivs seinen Tanzcharakter. – Rondoletto (Allegretto, 3/4, Es-Dur): Die Elemente eines fast burschikos-witzigen Themas der Violine, von der Viola kontrapunktiert, breiten sich schnell über alle Instrumente aus. Immer veränderte Wieder-Aufnahme des Rondo-Gedankens. – Semplice, misterioso (3/4, E-Dur): Das Walzerthema des zweiten Satzes scheint in geheimnisvoller, jedoch ganz einfacher Wandlung seines Charakters wiederzukehren […] Aus der Schlußbewegung entwickelt sich der unmittelbar anschließende Schlußsatz Comodo (4/4, G-Dur) in spielerischen Achteln. [Er] erinnert von weit her an Schumann, ohne romantischen Überschwang wie in früheren Werken, aber nicht weniger tief und echt.“