Sonate A-Dur, für Klavier (“mit dem türkischen Marsch”), KV 331
Werkverzeichnisnummer: 2971
1. Andante grazioso – Adagio – Allegro
2. Menuetto – Trio
3. Alla turca. Allegretto
“Wolfgang Amadeus Mozart
Klaviersonate A-Dur, KV 331
„Clavierland“ – so nannte Wolfgang Amadeus Mozart treffend die kaiserliche Residenzstadt Wien anno 1781. In den 20 fürstlichen und rund 60 gräflichen Familien der sogenannten „ersten Wiener Gesellschaft“ wurde täglich auf dem Pianoforte musiziert, und bald war Mozart Mittelpunkt dieser klavierbesessenen High Society – als Lehrer „höherer Töchter“ ebenso wie als Klaviervirtuose und Komponist. Sein erster Sonaten-Tribut ans „Clavierland Wien“ waren jene drei Sonaten KV 330-332, die man früher in die Monate seines Paris-Aufenthaltes 1778 datierte. Diese traditionelle Sicht haben zwei prominente Mozartforscher in Frage gestellt: Wolfgang Plath durch seine Erkenntnisse zur Entwicklung von Mozarts Notenschrift und Alan Tyson durch seine Erforschung der Notenpapiere, die Mozart zu bestimmten Zeiten seines Lebens verwendet hat. Was Letztere betrifft, taucht das Papier, auf dem Mozart die drei besagten Klaviersonaten niederschrieb, frühestens 1780 in seinem Schaffen auf und spielt auch in den ersten Wiener Jahren eine besondere Rolle. Was die Notenschrift betrifft, deutet alles ins Jahr 1783, in dem Mozart seine ersten rauschenden Erfolge als Pianist in neuen Klavierkonzerten feiern konnte. Parallel zu den drei Klavierkonzerten KV 413-415, die er im Verlag Artaria herausbrachte, ließ Mozart dort auch seine ersten drei Wiener Klaviersonaten stechen: Trois Sonates pour le Clavecin ou Pianoforte composées par W. A. Mozart. Dieses angeblich Opus 4 des Komponisten führte den Clavecin, also das Cembalo, nur deshalb im Titel auf, weil in vielen Wiener Palais noch die großen alten Kielflügel der Rokokozeit standen, während die neuen „Fortepianos“, also die Hammerflügel, eine teure Anschaffung waren und auch nicht jeder Spielerin behagten. Mozart selbst hat diese Stücke natürlich auf seinem Walter-Flügel gespielt, also im modernen Hammerflügel-Klang.
Nicht zufällig stehen die drei Sonaten in den gleichen Tonarten wie die besagten Klavierkonzerte von 1783: C-Dur, A-Dur, F-Dur. Beide Dreierzyklen waren als Entrée Mozarts auf den Markt der Klaviervirtuosen gedacht. Was er über die drei Klavierkonzerte schrieb, kann auch für die Klaviersonaten gelten: „sie sind eben das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht – sind sehr Brillant – angenehm in die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß die nichtkenner damit zufreiden seyn müssen, ohne zu wissen warum.“
Die A-Dur-Sonate, KV 331, ist die bei weitem populärste der drei Sonaten und die bekannteste Klaviersonate Mozarts überhaupt. Dies liegt natürlich am Finale im türkischen Stil, populär auch „türkischer Marsch“ genannt. Der Originaltitel des Satzes lautet schlicht Allegrino Alla Turca, also „kleines Allegro im türkischen Stil“. Vom Akkordeon bis zur Blockflöte reicht die Spanne der Bearbeitungen dieses Mozart-„Evergreens“, die man im Sommer von Straßenmusikanten hören kann. Ebenso bekannt wurde das Variationenthema des ersten Satzes, eine weich schwingende Siciliana. Beide Melodien kann man als Hommage Mozarts an sein Singspiel Die Entführung aus dem Serail verstehen. Er spielte hier gewissermaßen auf jener Tastatur weiter, die er 1782 mit seinem Singspiel so erfolgreich angeschlagen hatte: orientalischer Romanzenton im Thema des ersten Satzes (ähnlich Pedrillos Romanze Im Morgenland gefangen), türkische Musik im Finale, und zwar durchaus als Imitation der seinerzeit so beliebten Orchestermusik im pseudo-türkischen Stil.
Andante grazioso steht über dem lieblichen Variationenthema des ersten Satzes, das später Max Reger als Thema für seine „Mozart-Variationen“ aussuchte. Mozarts eigene Variationen sind eher dezent als üppig: Chromatische Vorhalte umspieln die Melodie in der ersten Variation, Triolenbravour herrscht in der zweiten, balkanesker Lamentoton in der dritten. Das Übergreifen der Hände bestimmt die vierte Variation, bevor ein reich verziertes Adagio als fünfte Variation einsetzt. Das Allegro der sechsten Variation wirkt wie der schnelle Teil einer Bravourarie, die mit dem Adagio begonnen hat.
Das Menuetto wird von einem Dreiklangsthema in Oktaven robust eröffnet. Sofort fällt die Musik ins weiche Piano zurück – wie ein forscher Liebhaber, der plötzlich vor Schüchternheit nicht weiter weiß. Der ganze Satz spielt mit diesem Gegensatz zwischen laut und leise, verwegen und zögerlich. Das klangschöne Trio weicht nacht D-Dur und in weiches Legato aus.
Das berühmte Finale ist, wie gesagt, kein „Türkischer Marsch“, sondern ein Allegrino Alla Turca. Das Tempo sollte nicht rasend schnell sein, denn das flinke, leise Rondothema in a-Moll wird immer wieder von lauten Couplets abgelöst, die tüchtig „auf die Pauke hauen“ und eher behäbig als schnell daher kommen. Eines dieser Copulets verwendete Mozarts englischer Schüler Stephen Storace für einen Chor seiner englischen Oper The siege of Belgrade, und zwar im Andante-Tempo! Mozart verstärkte den türkischen Charakter jener lärmenden Episoden durch den Einsatz diverser Vorrichtungen des Hammerflügels, die an Trommeln und Schellen einer „Türkischen Musik“ erinnern. Diese Art Schlagzeug würzte damals die Bläserserenaden und viele Opern Wiens, besonders natürlich Mozarts eigene Entführung aus dem Serail. Vor beinahe zwanzig Jahren machte der Orientspezialist Vladimir Ivanoff in einem Konzert der Villa Musica ein Experiment: Er ließ Mozarts Alla Turca auf türkischen Instrumenten und mit türkischen Ornamenten vortragen. Die Verfremdung machte deutlich, wie nahe Mozart tatsächlich der originalen türkischen Musik gekommen ist, wie er sich aber auch davon entfernt. Letztlich bleibt sein Allegrino Alla Turca ein heiter-ironischer Wiener Kommentar zur türkischen Musik.