"La Dame d'André" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Francis Poulenc

"La Dame d'André"

Lied „La Dame d’André“ für Sopran und Klavier, aus Fiancailles pour rire

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2958

Satzbezeichnungen

Erläuterungen

Als die französische Musikkritik der 40er Jahre seine Lieder als „Nachspiel eines überlebten Genres“ bezeichnete, verteidigte sich Francis Poulenc mit einfachen Worten: „Ich möchte gerne wissen, warum diese Form überholt sein soll. Es will mir scheinen, daß man so lange Lieder schreiben kann, wie es Dichter gibt. Und wenn man einmal auf meinen Grabstein schreiben wird: ‚Hier ruht Francis Poulenc, der Komponist von Apollinaire und Eluard,‘ wäre das für mich der schönste Ruhmestitel“.
Neben diesen männlichen Dichterfürsten Frankreichs hat Poulenc ausnahmsweise auch Lyrik einer Dichterin vertont: der 1902 geborenen Louise de Vilmorin, die 1972 als Lebensgefährtin von André Malraux gestorben ist. Ihre Lyrik, die er 1937 für sich entdeckte, öffnete Poulenc den Ausweg aus einem Dilemma, nämlich, keine Lieder für Frauenstimme schreiben zu können: „Ich muß an die Worte glauben, die ich gesungen höre. Ich fürchte, wenn eine Frau (wie ehrlich es auch immer sein mag) auf dem Höhepunkt der Musik eines Fauré singt: ‚ ich liebe Deine Augen, ich liebe Deinen Mund, meine Schöne, meine Liebste‘, bin ich nicht überzeugt.“ Erst als er Liebesgedichte aus der Perspektive einer Frau, eben von Louise de Vilmorin, las, war er überzeugt. Nach drei ersten Gedichten 1937 vertonte er von ihr Ende 1939 den sechsteiligen Zyklus Fiançailles pourrire (Verlobung zum Lachen). Damit hatte es eine besondere Bewandnis: Louise war damals mit dem ungarischen Grafen Palffy verheiratet und nach Kriegsbeginn auf ihrem Schloß in der Slowakei eingeschlossen, „ich weiß nicht wie lange“, erinnert sich Poulenc. „Ich schrieb die Lieder, um besser an Louise zu denken. Das ist alles, was mein Werk mit diesem schrecklichen Ereignis, dem Kriegsausbruch, zu tun hat – etwas ganz Zufälliges., wie man sieht.“
Die sechs Lieder gelten als besonders abwechslungsreicher und darum im Konzertsaal besonders dankbarer Zyklus, freilich ohne jeden zyklischen Zusammenhang. Das erste, in dem sich ein gewisser André fragt, ob die Frau, die er gerade getroffen hat, nur eine vorübergehende Bekanntschaft oder eine bedeutungsvolle seinw ird, muß sehr einfach gesungen werden, das zweite dagegen „sehr intensiv“, wie Poulenc angab. Im dritten wird mit dem Doppelsinn des Titels – entweder Der Flug oder Er fliegt – gespielt. Poulenc gab an, das Lied sein „im Stil einer Klavieretüde“ vorzutragen. Resignative Rückschau spricht aus dem vierten Lied, während Violon (Geige) seine ganz konkreten bezüge zur Entstehungsgeschichte hatte: „Ich schrieb dieses Lied in Gedanken an ein ungarisches Restaurant auf den Champs-Élysées, in das der Graf Palffy, Louises Ehemann, Zigeuner aus Budapest bestellt hatte. Ich versuchte die nationale Farbe der Zigeuner nur ganz entfernt zu treffen, denn das Gedicht wurde von einer französischen Hand geschrieben. Und so versuchte auch der Musiker, diesen Donaurhythmus in eine einheimische Atmosphäre zu übertragen.“ der seltsame harmonische Schritt vom A-Dur dieses Liedes zum Des-Dur des folgenden wurde von Poulenc ganz bewußt eingesetzt, um dem letzten Lied eine Aura des Fremden zu verleihen: „Ich glaube, daß dieses Lied eine so unheilbare Melancholie ausstrahlt, daß ihm der Hörer schon nach den ersten Takten seine Rolle als Coda, als Anhang zuweisen wird. Man muß es demütig singen, die Lyrik soll aus dem Inneren kommen.“