"Funeral music for Queen Mary" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Henry Purcell

"Funeral music for Queen Mary"

„Funeral music for Queen Mary“ für Chor und Bläserensemble

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2905

Satzbezeichnungen

1. March

2. Man that is born of a woman

3. Canzona

4. In the midst of life

5. Canzona

6. Thou knowest, Lord

Instrumental am 1
9., 20.0
3.2005:

1. March

2. Anthem

3. Canzona

4. Anthem

5. Canzona

Erläuterungen

Wie sich die Szenen gleichen:
„Sobald die Prozession anfing, wurden die Kanonen vom Tower gelöst, und damit, bis alles vorbei war, fortgefahren. In der Kapelle Heinrichs VII. wurde ein Baldachin aufgerichtet… Man hörte den Klang einer Trommel, das Zerbrechen der Amtsstäbe aller Offiziere der Königin und das Hinabschleudern der Schlüssel ins Grab… Nie wurde etwas ähnlich Feierliches und Großartiges gehört wie die Trauermusik von Mr. Purcell.“ (aus den Berichten über die Beisetzung Queen Marys, 5.3.1695)
„Die Prozession begann bei Kensington Palace am Morgen des 6. September um 9.08 Uhr. Der Sarg der Prinzessin wurde auf einem Wagen der Royal Horse Artillery zu Westminster Abbey gefahren, auf einer Route, die von Zehntausenden von Trauernden gesäumt wurde… In der Kathedrale wurde der Sarg der Prinzessin auf einen Katafalk gehoben. Die Königin und der Duke of Edinburgh, der Prince of Wales mit den Prinzen William und Harry legten am Fuß des Katafalks Kränze nieder. Nach der Trauerrede sang Elton John ein besonderes Arrangement seines Liedes Candle in the wind.“ (Offizieller Bericht über die Trauerfeier für Prinzessin Diana, London, 6.9.1997).

Sie war eine Königin der Herzen wie Lady Di, und sie wurde begraben wie ihre Nachfolgerin am Ende des 20. Jahrhunderts: Queen Mary, Gemahlin von William III., gestorben im Alter von nur 33 Jahren an den Pocken, feierlich zu Grabe getragen unter breitester Anteilnahme der Bevölkerung und bei bitterer Winterkälte am 5. März 1695. Purcells Trauermusik für die Zeremonie in Westminster Abbey erklang an eben jener Stelle, an der 302 Jahre später ein anderer englischer Musiker sein „Candle in the wind“ sang: „Goodbye England’s rose“.
Im Begräbnis von Prinzessin Diana wie von Queen Mary wird fühlbar, was den „Pompe funèbre“ des Barock selbstverständlich umgab: ein Hauch von Unsterblichkeit, der sich auch in der feierlichen Musik manifestierte. Angesichts der hohen Person, die schon zu Lebzeiten durch Schönheit und Reichtum herausgehoben war, aber erst im Sterben ihre ganze Größe entfaltete, verharrte ganz London in Ehrfurcht. Ein Meer von Blumen, ein Berg von Briefen, millionen Bekenntnisse zur Emotion. Politisch gesehen entstand daraus ein moralischer Druck, dem sich selbst die Regierenden beugen mussten. William III. hätte es 1695 am liebsten bei einer schlichten, familiären Beisetzung belassen, doch die Beliebtheit seiner Gemahlin erzwang den größten denkbaren Aufwand. Ähnliches ereignete sich bekanntlich vor dem Begräbnis von Lady Di.

Wenn wir uns an die rührenden Klänge Elton Johns und die noch rührenderen Bilder seines Musikvideos erinnern, verstehen wir am besten, worauf Purcells Funeral Music in ihrer monumentalen Schlichtheit abzielt: auf Rührung. „Die Musik war so schön und feierlich, dass sie alle zu Tränen rührte; und doch eine so einfache, natürliche Komposition, was die Macht der Musik beweist, wenn sie zum Anlass passend und voller Demut geschrieben ist“, erinnerte sich
Professor Thomas Tudway noch 20 Jahre später des Ereignisses.

Ohne auf die im einzelnen umstrittenen Fragen der Zeremonie und Aufführungspraxis einzugehen, ist doch folgendes zur Funeral Music klar: Sie bestand aus fünf Teilen, zwei Sätzen für Blechbläser und drei Chorsätzen. Zu den Klängen des Marsches zog die Trauergemeinde mit dem Sarg der Verstorbenen ein. Drei Chorsätze begleiteten den Weg des „cortège“ vom Eingang der Kathedrale zum „Sanctuarium“:
- I am the resurrection
- Thou knowest, Lord, the secrets of our hearts
- I heard a voice from heaven, unterbrochen von der Canzona für Blechbläser. Die gleichen drei Texte aus dem Alten Testament wurden 1997 zum Einzug der Trauergemeinde für Prinzessin Diana gesungen. 1695 stammte aber nur der mittlere dieser Sätze von Purcell, die beiden äußeren waren altbekannte Vertonungen von Thomas Morley. Will man die Funeral Music als einheitliches Werk von Purcell aufführen, greift man deshalb zu einer lediglich hypothetischen Zusammenstellung von drei Chorsätzen mit March und Canzona:
March
Man that is born of a woman Canzona
In the midst of life
Canzona
Thou knowest, Lord.

Die ersten beiden Anthems hatte Purcell schon lange vor 1695 komponiert. Wie Thou knowest gehören ihre Texte zu den Funeral Sentences, den sieben Begräbnisformeln des Common Book of Prayer. Purcells Vertonungen dieser Texte sind zu seinen Lebzeiten aber nie zusammen aufgeführt worden. Dennoch gelten sie heute als „die“ Funeral Sentences des Meisters und vermitteln zusammen mit March und Canzona, trotz der erwähnten historischen Einschränkung, ein lebhaftes Bild von der Zeremonie des 5. März 1695.

Die so rührende Musik Purcells verdankte einen Teil ihrer überwältigenden Klangwirkung übrigens dem Timbre sogenannter „Flatt Trumpets“, langer Zugtrompeten besonderer Mensur. Unsere Musiker haben sie sich eigens besorgt, um dem Originalklang von 1695 möglichst nahe zu kommen. Dabei sind die so schlicht scheinenden Harmonien von Purcells March und Canzona alles andere als einfach zu spielen.

2005
HENRY PURCELL
Funeral Music for Queen Mary

Ende 1694 starb in London – erst 33 Jahre alt und viel betrauert – Queen Mary, die Gemahlin von Wilhelm von Oranien. An der Seite ihres holländischen Gatten hatte sie 1688 in der Glorious Revolution den englischen Thron bestiegen. Es waren ihre Ansprüche als Stuart-Prinzessin, die diese vom Parlament gebilligte „Revolution“ ermöglicht hatten. Entsprechend tief wurde Queen Mary im Volk verehrt: als eigentliche Trägerin der königlichen Würde (Queen regnant) und als Verteidigerin des anglikanischen Glaubens gegen ihre zum Katholizismus neigenden Vettern aus dem Hause Stuart.

Ihre Trauerfeier wurde zu einem Staatsakt erster Ordnung. Sie folgte im wesentlichen jenem Zeremoniell, das man noch beim Trauerzug für Prinzessin Diana im September 1997 auf den Bildschirmen verfolgen konnte. Wer immer damals die Prinzen William und Harry mit ihrem Vater hinter dem Sarg einherschreiten sah, wer den Einzug in die Westminster Abbey zu feierlicher Musik erlebte, kann erahnen, was sich an jenem Märznachmittag des Jahres 1695 in London abspielte. Ein Trauerzug schwarz gekleideter Gestalten, Hunderte von Metern lang, bewegte sich durch die City nach Westminster.
Die Prozession wurde von feierlichen Posaunenklängen begleitet. Es war Henry Purcells March, der erste Teil seiner Funeral Music for Queen Mary, der den Sarg der Königin bei eisigem Wetter durch Londons Straßen geleitete. Beim Einzug in die Westminster Abbey erklangen die weiteren Teile dieser Musik: eine von Purcell überarbeitete Motette von Thomas Morley sowie zur Beisetzung in der Kapelle Heinrichs VII. seine Canzona für Bläser, gefolgt von weiteren Motettensätzen, die mit der Canzona im Wechsel gespielt wurden. In dieser Form erklingt die Funeral Music auch in unserem Konzert, allerdings ohne Chor. Man male sich dazu aus, wie der Sarg der Königin den weiten Weg durch die Kirche zurücklegt, bis er unter dem großartigen Baldachin aufgebahrt wird, den kein Geringerer als Sir Christopher Wren errichtet hatte.

Neben dem Architekten Wren war Purcell der glänzendste Repräsentant jener Epoche des englischen Hochbarock. Als ehemaliger Chorknabe der Chapel Royal war er der Musik an Westminster Abbey seit seiner Jugend verbunden. Er vereinte alle wesentlichen musikalischen Hofämter auf sich: composer-in-ordinary für die Streicher bei Hofe, Organist an Westminster Abbey und Hoforganist. Kein anderer kam für die Musik zur Beerdigung der Königin in Frage.
Auch persönlich dürfte Purcell an diesem Funeral Service tiefen Anteil genommen haben, hatte er doch die schöne Königin zu Lebzeiten in vielfältiger Weise musikalisch verherrlicht. So wie er ihr zu ihrem Geburtstag jedes Jahr mit einer prachtvollen Birthday Ode gratuliert hatte, so geleitete er sie nun musikalisch zu ihrer letzten Ruhestätte. Es sind nur wenige tief traurige Akkorde, die den Reiz dieser berühmten Trauermusik ausmachen, ein choralhafter Posaunensatz von tief eindringlicher Wirkung. Der Ohrenzeuge Thomas Tudway schrieb dazu später: „Ich appelliere an alle, die damals anwesend waren, ob sie nun Musik verstehen oder nicht, ob sie jemals etwas so Schönes und Feierliches gehört haben und so himmlisch in der Ausführung, das alle zu Tränen rührte. Und doch eine einfache, natürliche Komposition, was die Macht der Musik beweist, wenn sie mit Bedacht gesetzt und demütigen Zwecken dienstbar gemacht wird.“