Duo-Sonate für zwei Fagotte (1977)
Werkverzeichnisnummer: 2891
Sofia Gubaidulina gilt neben Edison Denissow und Alfred Schnittke als die dritte große Stimme der zeitgenössischen Musik Rußlands. Lange Jahre nur einem schmalen Zirkel bekannt, wurde sie ab 1980 zunächst im Westen regelrecht berühmt, später auch in Rußland selbst. Ihr hervorstechendes Merkmal ist die tiefe religiöse Symbolik, die sie ihren Werken verleiht. Sie strebt nach der “re-ligio”, der “Wieder-Vereinigung” widerstreitender Kräfte, was sich in ihrer extrem weiten stilistischen Bandbreite widerspiegelt.
Man hat versucht, ihre Musik als “Versöhnung zwischen Avantgarde und historischen Musikstilen” zu deuten. Die Komponistin meint dazu selbst: “Ich benutze alle musikalischen Mittel, die in der Welt exisiteiren. Für mich ist es nicht so wichtig, in einer bestimmten Tradition zu stehen. Abder die Instrumente sind für mich wichtig, sie stellen für mich so etwas wie lebende Personen dar.”
In der Duo-Sonate für zwei Fagotte, komponiert 1977, wird diese Auffassung vom Instrument als Persönlichkeit exemplarisch deutlich. Gleich zu Beginn führt sich jedes der beiden Fagotte mit einer entschiedenen Geste ein, sozusagen um seinen Charakter zu behaupten. Die langgezogenen chromatische Melodien des ersten Fagotts werden in der Folge vom zweiten Fagott immer wieder mit schnellen Figuren unterlegt: mit Trillern, Sprüngen oder Staccatoquintolen. Dazwischen stehen Momente, in denen beide Instrumente in einer Sprache reden. Ausgehend von einem Solo des zweiten Fagotts (quasi glissando) wird der Dialog im Mittelteil immer freier und wilder (Flatterzunge), bis er zum ruhigen Material des Anfangs zurückkehrt.