"Le bal masqué" | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Francis Poulenc

"Le bal masqué"

„Le bal masqué“, Weltliche Kantate für Bariton und Ensemble

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2842

Satzbezeichnungen

1. Préambule et Air de Bravoure

2. Intermède

3. Malvina

4. Bagatelle

5. La Dame aveugle

6. Caprice (après le Finale)

Erläuterungen

„Wer das nicht kennt, liebt meine Musik nicht wirklich. Das ist hundertprozentiger Poulenc,“ meinte der Komponist von seiner „weltlichen Kantate“ für Bariton und Ensemble Le bal masqué. 100 % Poulenc, das heißt hier: ein musikalischer Humor, der virtuos mit allen Genres spielte, die in den 30er Jahren in Paris zur Verfügung standen, vom ironischen Anklang an Bel Canto und große Oper über die Karikatur von Kammergenres (Geigensonate) bis hin zur Jahrmarktsmusik und zum Kabarett. Ironie und lyrisches Aufleuchten, grelle Karikatur und vielfarbiges instrumentales Changieren lösen einander so atemlos ab wie die Lichter von Paris. „Poulenc suchte die Seele der Musik auf den Straßen und in den Kaffeehäusern und Cabarets von Paris anstatt in den Konzertsälen. Er fand, was er suchte in den sentimentalen oder auch schlüpfrigen Chansons populärer Kabarettsänger und bei solchen, die er ‚einfache Leute mit Phantasie‘ nannte. „ (H. Hell)

Die Texte zu diesem Panoptikum des modernen Ensemblelieds lieferte Max Jacob, der Christian Morgenstern Frankreichs, enge Freund und Antipode Apollinares. Vier seiner „surrealistischen“ Szenen aus Le Laboratoire central (1921) hat Poulenc ausgewählt und in Instrumentalsätze eingebettet; kurze Überleitungen bilden die Brücke zwischen den Sätzen.
Die Besetzung des Ensembles ist wiederum – wie in den früheren Werken – zeittypisch für die Stilmischungen der 30er Jahre: Oboe, Klarinette und Fagott bilden ein „Trio d´anches“, Violine und Cello fungieren als Duopartner des Klaviers in pseudoklassischer Kammermusik, während der Cornet à piston (in unserer Aufführung Trompete) und das Schlagzeug als Fremdkörper in die Kammermusik förmlich hineinplatzen. Ähnliches findet man bei Strawinsky, Hindemith und Milhaud.

Der erste Doppelsatz, Vorspiel und Bravourarie genannt, offenbart das virtuose Spiel mit den heterogenen Klangfarben dieses Ensembles und mit den entsprechenden Assoziationen. Daß Poulenc den Jahrmarkt liebte und gelegentlich musikalisch verherrlichte, ist hier nicht zu überhören. Klavierkadenz und Trompetensolo leiten scheinbar die Bravourarie ein – doch statt der zu erwartenden Koloraturen setzt der Sänger mit einem Parlando-Geschwätz ein, das aus der Music Hall zu stammen scheint und nur gelegentlich die Stilhöhe ernster Opernmusik streift. Auch etwas chinesischer Exotismus klingt an, während sich ansonsten Poulencs Tonfall eher an Max Jacobs Wortspielen (Dauphine – fine, fine) als am Sinn der Worte entzündet.

Das Interméde ist ein Kammerkonzertsatz für Klavier und Ensemble über ein haydneskes Thema, das folgende Lied Malvina die Ironisierung der sentimentalen Pseudo-Zigeuner-Walzermusik der Zeit.

Die Bagatelle wird ihrem Titel mit einem höllisch schweren Schlagabtausch zwischen Klavier und Violine gerecht, während Die blinde Dame, wie so oft bei Poulenc, von persönlichen Erinnerungen durchdrungen ist. Vorbild für die „lugubre“, buddhahafte Schwere der Musik war eine „ungeheuer mächtige Rentnerin, die 1912 in Noge-sur-Marne wohnte“.

Als „Schlüssel“ des Werkes verstand Poulenc das angehängte Finale, eine „Caprice in C-Dur“, die er als Porträt von Max Jacob verstand, „so wie ich ihn kannte, als er 1920 in der Rue Gabrille am Montmartre wohnte.“