Nonett F-Dur, op. 121
Werkverzeichnisnummer: 2835
1. Andante – Allegro moderato
2. Menuetto. Allegro moderato
3. Adagio
4. Finale. Allegro ma non troppo – Presto
Franz Lachner, der bedeutendste Sproß einer bayerischen Musikerfamilie des 19. Jahrhunderts, wird heute meist nur noch in der Vita zweier berühmter Kollegen erwähnt: als Mitglied des Schubert-Kreises in Wien, wo er in den 1820er Jahren lebte, und als Gegenspieler Wagners in München vierzig Jahre später. Für München war Lachner der prägende Musiker des 19. Jahrhunderts: Als Dirigent der Hofoper, Leiter der Hofkapelle und späterer Generalmusikdirektor setzte er in der bayerischen Hauptstadt eben jene Qualität der musikalischen Aufführung in die Tat um, die Wagners Musikdramen erst möglich machte. Wie viele Münchner Orchestermusiker, etwa der Vater von Richard Strauss, stand er Wagners Musik verständnislos gegenüber, erkannte aber dessen Bedeutung rückhaltlos an.
Die Idole seines eigenen musikalischen Kosmos blieben zeitlebens Mozart und Schubert. Dies ist selbst einem so späten Werk wie dem 1875 komponierten Nonett anzuhören. Lachner übernahm darin die klassische Nonett-Besetzung, wie sie 1813 in Wien von Louis Spohr “erfunden” worden war: Bläserquintett, Violine, Viola, Cello und Kontrabaß. Wie in Spohrs Nonett sind die Instrumente ausgesprochen virtuos behandelt, besonders die Violine (Kadenz im ersten Satz), die Klarinette und die Flöte.
Stilistisch war Lachners Vorbild freilich ein anderer Wiener Kammermusik-Klassiker: das Oktett von Schubert. Lachner übernahm von diesem Werk die Tonart, den Aufbau des ersten Satzes mit langsamer Einleitung und Sonatenallegro sowie zahlreiche melodische und harmonische Details. Das marschartige Hauptthema des Allegros etwa ist unmittelbar aus Schuberts entsprechendem Thema abgeleitet.
Daß Lachner an zweiter Stelle ein Menuett statt eines Scherzo folgen ließ, ist ein nostalgischer Zug, ein verklärender Rückblick auf die Menuette Mozarts und Haydns, wie er nach 1850 in den romantischen Orchestersuiten populär wurde. Lachners 7 Orchestersuiten gehörten seinerzeit zu den beliebtesten des Repertoires. Auch im Trio, einem zarten Des-Dur-Ländler für Klarinette, erweist sich sein Geschick im tänzerischen Genre.
Zu Beginn des Adagio spürt man fast einen Hauch von Wagnerscher Chromatik, die sich freilich bald in eine eher traditionelle harmonische Richtung klärt. Klangfarblich wirkt dieser Satz durch die Dämpfer der Streichinstrumente, die Bläsersoli (Klarinettenkadenz) und die wirkungsvollen Kontraste besonders interessant.
Das Finale ist wieder in Schuberts Manier gehalten: ein über ostinaten (d.h. immer wiederkehrenden) rhythmischen Figuren voranschreitendes Perpetuum mobile, dessen Hauptmotiv harmonisch immer neu beleuchtet, aber kaum verarbeitet wird. Der Satz gipfelt in einer kurzen Stretta.