Streichquintett d-Moll, op. 68 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ferdinand Ries

Streichquintett d-Moll, op. 68

Quintett d-Moll für drei Violinen, Viola und Violoncello, op. 68

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2830

Satzbezeichnungen

1. Andantino – Allegro agitato

2. Andantino

3. Menuetto. Moderato – Trio

4. Finale. Allegro

Erläuterungen

Ferdinand Ries: Streichquintett d-Moll

Ferdinand Ries ist als Schüler Beethovens in die Musikgeschichte eingegangen, ein Attribut, das seiner eigenständigen Rolle als ebenso fruchtbarer wie inspirierter Komponist der Frühromantik nicht gerecht wird. Ries war Pianist und deshalb kaum in der Gefahr, streicherischer Virtuosität um ihrer selbst willen so hemmungslos nachzugeben wie die Geigenvirtuosen seiner Zeit. Da er aber in seiner Heimatstadt Bonn auch eine gründliche Ausbildung zum Geiger und Cellisten erfahren hatte (u.a. bei Bernhard Romberg), offenbart seine Kammermusik volles idiomatisches Verständnis der Streichinstrumente. Sie sind überdies ausgesprochen klangschön und satztechnisch reich strukturiert, was Ries seinen Wiener Lehrjahren bei Beethoven und Albrechtsberger zu verdanken hatte. Seine Wanderjahre führten ihn nach Paris, St. Petersburg, Stockholm und später wieder nach Wien. Damals erwarb er den Ruf, einer der besten Pianisten Europas zu sein. In seinen Londoner Meisterjahren kam das Renommee des anerkannten Komponisten hinzu.

„Romantic wildness“, romantische Wildheit soll den Pianisten Ries von seinen Konkurrenten in London unterschieden haben. Sein d-Moll-Streichquintett, das 1816 als Opus 68 gedruckt wurde, bestätigt dieses Urteil auch für den Komponisten Ries. In seinem entfesselten Appassionato-Ton wie in formaler Hinsicht verdankt es dem Mentor Beethoven die entscheidenden Anregungen. Die langsame Einleitung (Andante bzw. Andantino) wirkt wie ein Nachklang auf die Einleitungen der späten Beethoven-Quartette. „Redender“ Duktus (Ausdrucksanweisung Parlante), durchbrochener Satz, das stockend-Erwartungsvolle des melodischen Verlaufs lassen zugleich an die ihrerseits von Beethoven beeinflussten Introduktionen des jungen Mendelssohn denken.

Formal diente Beethovens Opus 130 als Vorbild für den ersten Satz, da die Einleitung mitten in der Durchführung des Allegro, nach einem abebbenden Morendo noch einmal wiederkehrt, zum Dolce ed espressivo gesteigert. Die beiden Allegroteile heben mit einem mehrfach gestaffelten Agitato-Klanggrund an (Wellenbewegung der Violinen, Tremolo der Bratsche), um die Sonatenform gewissermaßen im stürmischen Anlauf zu nehmen. Das unterschwellig Drängende der Bewegung, von Beethoven abgeleitet, beherrscht auch das F-Dur-Seitenthema (2. Violine, Cello) und die Schlussgruppe, die in der Reprise nach D-Dur transponiert werden.

Der langsame Satz (Andantino, A-Dur) wirkt durch sein liebliches Thema im Rhythmus einer Polonaise und durch die Pizzicati an den Phrasenenden serenadenhaft klangschön. Mehrfache Wechsel zwischen Mineur und Majeur, große Crescendi und Decrescendi, der figurativ aufgelöste Streichersatz bringen eine dramatische Note in dieses Intermezzo.

Das Menuett steht wieder in Moll und tendiert zum trotzigen Scherzo, während das Trio ein schlichter Ländler ist. Das Finale beginnt erneut unthematisch-figurativ. In einer Art großer Welle aus Sechzehnteln werden im langen Crescendo über dem verminderten Septakkord das Fortissimo und das Hauptthema erreicht. Wie im ersten Satz bestimmen kaum prägnante Themen die Szene, vielmehr eine alles überschwemmende „romantic wildness“, der sich die Klangwirkungen wie Sempre Staccato anpassen. Natürlich schließt dieses aufgeregte Quintett im Sechzehntel-Elan eines Sempre crescendo.