Sonate für Violine und Klavier
Werkverzeichnisnummer: 2822
1. Con moto
2. Ballada. Con moto
3. Allegretto
4. Adagio
Leos Janacek ist in Deutschland fast ausschließlich auf den Opernbühnen präsent. Dem Komponisten der Jenufa und Katia Kabanova begegnet man in Konzertprogrammen nach wie vor selten, am ehesten noch mit seinen beiden Streichquartetten, die dank ihrer programmatischen Titel (Kreutzersonate bzw. Intime Briefe) zu Assoziationen anregen. Das gleiche gilt im Primzip für alle Werke in Janaceks nicht sehr umfangreicher, aber dennoch eindrucksvoller Kammermusik.
Zur Gattung der Violinsonate steuerte er schon in seiner Leipziger Studienzeit zwei Werke bei, die heute leider verloren sind. So bleibt als einzige eigentliche Violinsonate jenes Werk aus dem Jahre 1914, dessen Entstehung wir den politischen Zeitumständen verdanken: dem Vormarsch der russischen Truppen kurz nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Janacek, der ein begeistertes Mitglied des russischen Zirkels in seiner Heimatstadt Brünn war, nahm die russischen Siege über die Österreicher mit dem Hochgefühl des slawischen Patrioten auf. In der Violinsonate setzte er diesem Gefühl ein Denkmal. Vom ersten Satz sagte er selbst, dass er die Vorfreude auf den russischen Einmarsch in Mähren zu Beginn des Krieges widerspiegele. Eine Passage des Finales – hohes Klaviertremolo zu einem Choralthema der Violine – konnte ihm nicht aufgewühlt genug gespielt werden, denn sie sollte den Einmarsch der Russen in der ungarischen Ebene darstellen.
Die Freude über diesen militärischen Triumph im September 1914 währte genau eine Woche. Janaceks Violinsonate dagegen eroberte sich stetig, wenn auch langsam die internationalen Konzertpodien, nachdem sie Janacek 1922 in ihre endgültige Gestalt gebracht und zur Aufführung in Brünn, Prag und Salzburg freigegeben hatte.
Die Form variiert die viersätzige Anlage der romantischen Violinsonate auf originelle Weise. Der erste Satz steht noch, cum grano salis, in Sonatenform mit zwei Themen, doch schon sein Beginn verweist auf ganz andere Inspirationsquellen. Die Violine stürzt sich mit einer bizarren Akkordgeste in einen passionierten Gesang, den das Klavier mit Tremoli nach Art eines Zymbal begleitet. Die Melodik ist russisch inspiriert. Nicht von ungefähr verweisen die Themen auf Janaceks „russische“ Oper Katja Kabanova, die einige Jahre später entstand. Die Durvariante des Hauptthemas, die vom Klavier angestimmt wird, bildet den Seitensatz, gefolgt von einer Arabeske als Schlussgruppe. Die Durchführung behält den improvisatorischen Gestus der Exposition bei: melodische Themenfetzen in der Violine kontrastieren mit Tremolofiguren im Klavier.
Den zweiten Satz nannte Janacek selbst „Ballade“, sein Biograph Jaroslav Vogel sprach von einem „Nocturne“. Tatsächlich erinnert der Satz mit seinen „Claire-de-Lune“-Effekten und seiner Liedmelodik an die Nocturnes der Romantiker. In äußerster Ruhe entfaltet sich zunächst ein E-Dur-Thema im Dialog der Instrumente, dann ein „Lied ohne Worte“ der Violine, das über flirrenden Akkordbrechungen des Klaviers in immer höhere Lagen aufsteigt.
Der dritte Satz gewinnt durch sein volkstümliches Tanzthema einen ausgesprochen rustikalen Charakter, zumal in den Pizzicati der Reprise. Als Mittelteil fungiert ein nachdenkliches Arioso. Während die drei vorangehenden Sätzen noch die Konventionen der viersätzigen Form erfüllen, ist der Schluss alles andere als ein krönendes Sonatenfinale. Wir hören eine zart dahindämmernde Klavier-Berceuse im langsamen Tempo, die immer wieder von nervösen Violineinwürfen attackiert wird. Allmählich zieht das Klavier die Violine in seinen träumerischen Gestus hinein, bis jene schon erwähnte Choralpassage mit Tremolo langsam zum verklingenden Schluss überleitet. Kaum eine andere Violinsonate endet in so zarter Manier.