Acht Variationen für Klavier zu vier Händen, WoO 67
Werkverzeichnisnummer: 2795
Andante con moto – Variazioni
FRÜHE VARIATIONEN …
Das Klavierspiel “à quatre mains” gehörte zu den musikalischen Lieblingsübungen des 19. Jahrhunderts, ein “Trend”, der sich in Beethovens Lebenszeit noch nicht deutlich genug abzeichnete, um den stets wachen Geschäftssinn des Meisters zu wecken. Seine wenigen Stücke für Klavier zu vier Händen sind fast durchweg Jugendwerke und eben zu dem geselligen Zweck komponiert, der die Gattung später so rasend beliebt machte. Nur die drei Märsche, op. 45, stammen aus der Zeit nach 1800.
Unter den zahllosen Adligen, mit denen Beethoven verkehrte – nicht immer “politically correct”, wie die Anekdoten um Opus 45 zeigen (siehe unten) -, gebührt dem Grafen Ferdinand von Waldstein ein Ehrenplatz. Der böhmische Graf, der seit seiner Jugend in Bonn lebte, war der früheste Gönner des Komponisten, der ihn massiv förderte und wohl auch für dessen zweite Reise nach Wien verantwortlich war. Er soll ihm die berühmten Worte “Mozarts Geist aus Haydns Händen” als Motto mit auf den Weg gegeben haben.
Abgesehen von der “Waldsteinsonate”, op. 53, die ihn unsterblich machte, ist sein Name noch mit zwei weiteren Werken Beethovens verknüpft: den Variationen, WoO 67, und dem ersten “Werk ohne Opuszahl”, WoO 1, der Musik zu einem Ritterballett. Dieser “höfische Tanz in alten germanischen Kostümen” wurde zum Karneval 1791 in Bonn aufgeführt, wobei der Theater-Kalender auf das Jahr 1792 unglücklicherweise nicht nur die Choreographie des Balletts, sondern gleich auch noch die Komposition dem Grafen Waldstein zuschrieb. “Nachdem Waldstein einmal als Urheber der Musik im Druck genannt war, wollte Beethoven dem Grafen offenbar die Peinlichkeit einer öffentlichen Korrektur ersparen.” (Steven Whiting)
Aus dem besagten Ballett stammt nun auch das Thema der Variationen für Klavier zu vier Händen, die Beethoven in seinem letzten Bonner Jahr 1792 komponierte. Die falsche Zuschreibung der Ballettmusik hatte zur Folge, daß auf dem Titelblatt von Beethovens Autograph jemand auch dieses Thema dem Grafen Waldstein zuschrieb. Beethoven hat diesen Zusatz “dick ausgestrichen und ausradiert”. Offenbar ist das Pseudo-Waldstein-Thema – wie der Rest des Ritterballetts – ein echter Beethoven.
Die Variationen gliedern sich in drei brillante (Nr. 2, 4 und 6) und drei im Ausdruck sanftere (Nr. 3, 5 und 7), umrahmt von der ornamentalen Variation Nr. 1 und der sehr ausgedehnten Nr. 8. “Ungewöhnlicherweise ist die Schlußvariation beinahe ebenso lang wie die ihr vorausgegangenen sieben Variationen zusammen, und sie … spiegelt das Idiom einer Klavierfantasie wider, vor allem in der Abfolge der Tempobezeichnungen: Adagio – Capriccio – Allegro – Adagio – Allegro – Adagio – Allegretto – Allegro – Presto.” (S. Whiting)
Die Variationen wurden bereits 1794 von Simrock in Bonn gedruckt. Sie gehören damit zu jenen Werken, die der Komponist noch vor seinem Opus I veröffentlichte – auf Drängen des Publikums, das insbesondere seine Variationen schätzte.