Sonate A-Dur für Violine und Klavier, KV 526
Werkverzeichnisnummer: 2776
1. Allegro
2. Andante
3. Allegro
MOZART BRAUCHTE GELD – wieder einmal. Schon drei Jahre nach seinen umjubelten Konzertauftritten in Wiens Salons und Konzertsälen, denen wir die Violinsonate KV 454 verdanken, war seine Popularität unübersehbar gesunken. Im Sommer 1787 waren es lediglich die Reise nach Prag und der Auftrag zum „Don Giovanni“, die zusätzliche Einnahmen versprachen. Da kamen Anfragen des Verlegerfreundes Franz Anton Hoffmeister gerade recht. 1785 hatte dieser eine Serie regelmäßig erscheinender Hefte mit neuer Klaviermusik begonnen – mit oder ohne Begleitung. „Begleitung“ hieß im Verständnis der Wiener Musikliebhaber: Streicher, die mit dem Klavier Kammermusik machten, von der Violinsonate über das Klaviertrio bis hin zum Klavierquartett. Ein Dutzend „Cahiers“, also Hefte, trug Mozart zu dieser Serie bei, darunter auch die Violinsonate A-Dur, KV 526.
Am 24. August 1787 vollendet, wurde sie schon im September veröffentlicht – sie fand sozusagen „reißenden“ Absatz. Dabei weist schon der intime Ton des Andante darauf hin, dass Mozart in diesem Stück persönliche Empfindungen aussprach. Ende Mai 1787 war Mozarts Vaters gestorben, was den Komponisten in einer Phase traf, die ohnehin von Gedanken an den Tod überschattet war, nachdem im April bereits sein Geigerfreund Graf von Hatzfeld im Alter von 31 Jahren verstorben war. Die Vermutung liegt nahe, Mozart habe das Andante der Sonate als Doppelepitaph für den Vater und Geigenlehrer Leopold und den geigenden Freund Hatzfeld komponiert. Ähnliche Überlegungen hat die Mozartforschung seit Langem mit dem Finale verknüpft, in dem sich ein Themenzitat aus einem Trio von Carl Friedrich Abel findet. Der frühere Londoner Mentor des kleinen Mozart war im Juni 1787 gestorben. Wie der „Don Giovanni“ und manche Lieder des Jahres 1787 („Abendempfindung“) scheint auch die A-Dur-Sonate von Todesgedanken überschattet zu sein.
Dessen ungeachtet beginnt der Kopfsatz in stürmisch ausgelassener Stimmung. Das Molto Allegro stürzt die Beteiligten in eine Kette rhythmischer Komplikationen: aus der Phrasierung entstehende Hemiolen, die den zur kniffligen Aufgabe machen. Dass Violine und Klavier hier aufs engste miteinander verzahnt sind, entspricht dem hohen kontrapunktischen Niveau dieser „bedeutendsten Klavier-Violin-Sonate Mozarts“, wie sie Alfred Einstein nannte.
Krone des Werkes ist das Andante, das sich über einem ruhig schreitenden Achtelmotiv wie ein Kondukt bewegt und auf diesem Weg immer neue, romantische Schattierungen des Ausdrucks hervorbringt. Zuerst sind es zarte Einwürfe der Violine, die dem ostinaten Motiv antworten, dann Dur-Moll-Wechsel, schließlich chromatische Modulationen, die ins Dämonisch-Abgründige zu führen scheinen. Die zwischen Dur und Moll changierende Harmonik des „Don Giovanni“ ist hier allgegenwärtig.
Das Finale, ein Presto im Alla breve-Takt, beleuchtet wieder eine andere Facette des Duo-Musizierens: das Skalenspiel als Perpetuum mobile. Hermann Abert nannte den Satz ein „supervirtuoses Rondo“. Gleichzeitig ist er ein ununterbrochener, kontrapunktisch höchst kunstvoller Schlagabtausch der beiden Instrumente.
FRÜHERE VERSIONEN
„Eine Klavier Sonate mit Begleitung einer Violin“ trug Mozart am 24.8.1787 in sein eigenhändiges Werkverzeichnis als vollendet ein – die A-Dur-Sonate, KV 526. Während wir von „Violinsonate“ oder „Sonate für Violine und Klavier“ sprechen würden, benutzte Mozart den Terminus „Klavier-Sonate mit Begleitung“. In der Tat hat sich die klassisch-romantische Violinsonate aus Klaviersonaten mit „begleitender“ Violine entwickelt, wie sie ab 1750 Europa überschwemmten. Diese unschuldig plätschernden Rokokosonaten aus Terz- und Sextparallelen waren ideal für den „dilettantischen“ Genuss eines gut ausgebildeten höheren Fräuleins am Klavier und ihres meist weniger fleißigen Bruders oder Verehrers an der Violine geeignet, hatten aber nur wenig mit den Höhenflügen der späteren Violinsonate gemein. Es war Mozart, der als Kind einige der schönsten Beispiele jenes RokokoTypus komponierte, um ihn später als Erwachsener umso entschiedener in die klassische Duosonate für zwei gleichberechtigte Instrumente zu verwandeln. Dazu bedurfte es eines Komponisten, der beide Instrumente gleich vollendet beherrschte – Mozart war nicht nur der brillanteste Pianist seiner Zeit, sondern auch der Meisterschüler des besten Geigenlehrers im späten 18. Jahrhundert: Leopold Mozart.
W. A. MOZART
Sonate A-Dur, KV 526
In drei Werkgruppen verlieh Mozart der Violinsonate ihr klassisches Gesicht: zuerst in den 1778 publizierten Sonaten KV 301-306, gewidmet Kurfürstin Elisabeth Auguste von der Pfalz, dann in den 1781 erschienenen „Auernhammer-Sonaten“ KV 296 und 376-380, schließlich in den großen Wiener Sonaten KV 454, 481 und 526. Während er die beiden Sechsergruppen von vornherein zur Publikation bestimmt hatte, schrieb er die Sonaten der späten Wiener Jahre als Gelegenheitswerke für befreundete Musiker(innen), wie etwa KV 454 für die italienische Geigenvirtuosin Regina Strinasacchi, die 1784 in Wien gastierte.
Im Falle der A-Dur-Sonate, KV 526, ist der konkrete Anlass unbekannt, die Umstände deuten jedoch auf ein intimes Freundesgeschenk, möglicherweise sogar auf ein persönliches Bekenntniswerk hin. Mozart wohnte zwischen April und August 1787 „Auf der Landstraße 224“ in unmittelbarer Nachbarschaft des Wiener Botanikprofessors von Jacquin, mit dessen Kindern Gottfried und Franziska ihn eine herzliche Freundschaft verband. Er könnte die A-Dur-Sonate für die exzellente Pianistin Franziska von Jacquin und für sich selbst an der Violine komponiert haben, wie so manches andere Kammermusikwerk jener Jahre („Kegelstatt-Trio“). Die abgrundtiefe Trauer, die sich im Andante der Sonate kundtut, lässt jedoch noch eine andere Deutung zu: Ende Mai 1787 war Mozarts Vaters gestorben, was den Komponisten in einer Phase traf, die ohnehin von Gedanken an den Tod überschattet war, nachdem im April bereits sein Geigerfreund, August Graf von Hatzfeld, im Alter von 31 Jahren verstorben war. Vielleicht komponierte Mozart das Andante der Sonate als Doppelepitaph für den Vater und Geigenlehrer Leopold und den geigenden Freund Hatzfeld. Ähnliche Vermutungen legt das Finale nahe, in dem sich ein Themenzitat aus einem Trio von Carl Friedrich Abel findet. Der frühere Londoner Mentor des kleinen Mozart war im Juni 1787 gestorben. Wie im Don Giovanni und in manchen Liedern des Jahres 1787 (Abendempfindung) scheint die A-Dur-Sonate von der Besinnung auf den Tod durchdrungen.
Dessen ungeachtet beginnt der Kopfsatz in stürmisch-ausgelassner Stimmung. Das Molto Allegro stürzt die Beteiligten in eine Kette rhythmischer Komplikationen. Es handelt sich um aus der Phrasierung entstehende hemiolische Verschiebungen des Taktes, die den Satz zur kniffligen Aufgabe für den Konzertsaal machen. Dass Violine und Klavier hier aufs engste miteinander verzahnt sind, entspricht dem hohen kontrapunktischen Niveau dieser „bedeutendsten Klavier-Violin-Sonate Mozarts“, wie sie Alfred Einstein nannte.
Krone des Werkes ist das Andante, dessen stete Achtelbewegung immer neue Schattierungen des Ausdrucks hervorbringt. Zuerst sind es zarte Einwürfe der Violine, dann Dur-Moll-Wechsel, schließlich chromatische Modulationen, die ins Dämonisch-Abgründige zu führen scheinen. Ähnlich wie in der „Prager Sinfonie“ ist auch hier die zwischen Dur und Moll changierende Harmonik des Don Giovanni allgegenwärtig. Als er die Sonate schrieb, war Mozart mit der Komposition seines Prager Dramma giocoso beschäftigt. Nicht von ungefähr lässt sein Violinsonaten-Andante an die Nachtszenen des zweiten Aktes denken, etwa an Donna Elviras Ah taci, ingiusto core. Aus der anfänglich neutralen Grundbewegung entsteht ein immer passionierterer Gesang und ein immer drängender Dialog zwischen den Instrumenten, so wie auf der Opernbühne zwischen Don Giovanni und Donna ElviraDas Finale, ein Presto im Alla breve-Takt, beleuchtet wieder eine andere Facette des Duo-Musizierens: das Skalenspiel als Perpetuum mobile. Hermann Abert nannte den Satz „the super-virtuoso Rondo of Mozart’s Sonatas“. Gleichzeitig ist er ein ununterbrochener kontrapunktischer Schlagabtausch der Instrumente.
Die Sonate wurde schon wenige Wochen nach ihrer Vollendung im September 1787 gedruckt, und zwar von Mozarts Verlegerfreund Franz Anton Hoffmeister im zweiten Jahrgang seiner Prénumeration pour le Forte-piano, ou Clavecin. Mit diesen regelmäßig erscheinenden Heften neuer Wiener Klaviermusik (mit oder ohne „begleitende“ Violine) befriedigte Hoffmeister den Bedarf jener eingangs erwähnten vornehmen Kundinnen und Kunden zum häuslichen Gebrauch. Es darf bezweifelt werden, dass Dilettant(inn)en von weniger virtuosem Zuschnitt als Franziska von Jacquin diese Sonate mit ihren Duopartnern bewältigen konnten.