Streichquartett Nr. 2 für zwei Violinen, Viola und Violoncello, „Intime Briefe“
Werkverzeichnisnummer: 2774
1. Andante
2. Adagio – Presto – Grave
3. Moderato – Presto
4. Allegro
Obwohl Janacek sein 2. Streichquartett 1928, vier Jahre nach Schulhoffs Nr. 1, komponierte, ist es ein weit weniger „modisches“ Werk, vielmehr die Bekenntnismusik eines 74jährigen Altmeisters. Der große alte Mann im mährischen Brünn gestand mit diesem Werk seine Liebe zur 36jährigen Kamila Stöslová ein. Im Februar 1928 schrieb er ihr: „Jetzt habe ich begonnen, etwas Schönes zu schreiben. Unser Leben wird darin enthalten sein. Es soll ‚Liebesbriefe‘ heißen. Ich glaube, es wird reizend klingen. Wir hatten ja genug Erlebnisse! Die werden wie kleine Feuer in meiner Seele sein und in ihr die schönsten Melodien entfachen… Das Ganze wird hauptsächlich ein besonderes Instrument enthalten. Es heißt Viola d’amour. Liebes-viola…“
Den Plan, die damals gerade erst wiederentdeckte Viola d‘ amore – ein barockes Instrument – in dem Werk zu verwenden, hat Janacek zwar wieder aufgegeben; doch das Liebesthema blieb für das Quartett bestimmend: „Es ist meine erste Komposition, deren Töne von all dem Liebenswürdigen durchglüht sind, das wir miteinander erlebt haben.“ Dabei ging es dem Komponisten letztlich auch um ein öffentliches Eingeständnis ihrer Beziehung. In einem Brief an Max Brod fragte er: „Ist es möglich, öffentlich zu sagen, auf welche Person sich meine Motive beziehen? Hat irgend ein Schriftsteller das jemals der Öffentlichkeit verraten? Bei Malern ist es kein Geheimnis, aber bei einem Komponisten? Würde es schlecht aufgenommen werden, wenn diese geistiges Verhältnis, diese künstlerische Beziehung offen eingestanden würde? Natürlich braucht man das Einverständnis der betroffenen Person. Sie will es, weil wir beide, sie und ich, von dem Verdacht einer anderen Art von Beziehung, als sie unsere rein geistige ist, erlöst sein wollen.“ Ein „Programm“, wie es etwa für Alban Bergs inhaltlich vergleichbare Lyrische Suite entdeckt wurde, ist für Janaceks Werk nicht erhalten, es finden sich jedoch in seinen Briefen an Kamila Andeutungen über den Inhalt:
1. Satz: „meine Eindrücke, als ich Dich zum ersten Mal sah.“ Nach dem „Thema des Mannes“ im Tutti und Forte trägt die Viola das „Thema der Frau“ vor, das alle Sätze durchzieht. Das Bratschensolo erinnert daran, das es einmal der „Liebesviola“ zugedacht war.
2. Satz: „Heute habe ich mein zärtlichstes Verlangen in Tönen geschrieben … Genau wie Du bist, von Tränen in Lachen wechselnd, so klingt es… „ Der Satz, dessen Thema wiederum in der Viola liegt, schwingt sich zunächst zu feierlicher Expressivität auf, bevor der Ausdruck plötzlich in ein kindlich-spielerisches Presto hinüberwechselt. Am Ende kehren im Grave die beiden Themen von Mann und Frau „im Ton einer Danksagung“ (J. Vogel) wieder.
3. Satz: „Heute beendete ich die Nummer, in der die Erde bebt. Es wird der beste Satz sein… Wie hätte ich nicht beglückt sein können, als ich fühlte, daß die Erde vor Freude unter mir bebte?“ Der Satz beginnt wie ein russisches Wiegenlied, zu dem sich – über dem „bebenden“ Rhythmus der Viola – das Thema der Frau gesellt. Die Presto-Einschübe hat Janacek als „Freudenschreie“ bezeichnet.
4. Satz: „Nun muß der letzte Satz gelingen… Er wird wie die Furcht um Dein Wohlergehen sein… Doch er wird nicht mit der Furcht um mein schönes Wiesel enden, sondern mit großer Sehnsucht, die sich aus sich selbst heraus stillt.“ Nach einem umfangreichen Rondo schließt das Werk in hymnischem Des-Dur – „ein Werk, das an Intensität und Leidenschaft kaum ein Gegenstück in der Kammermusik hat, obwohl es von einem 74jährigen Komponisten in seinem letzten Lebensjahr geschrieben wurde“ (J. Vogel).
2002
LEOS JANACEK
Quartett Nr. 2 „Intime Briefe“
„Ist es möglich, öffentlich zu sagen, auf welche Person sich meine Motive beziehen? Hat irgend ein Schriftsteller das jemals der Öffentlichkeit verraten? Bei Malern ist es kein Geheimnis, aber bei einem Komponisten? Würde es schlecht aufgenommen werden, wenn dieses geistige Verhältnis, diese künstlerische Beziehung offen eingestanden würde? Natürlich braucht man das Einverständnis der betroffenen Person. Sie will es, weil wir beide, sie und ich, von dem Verdacht einer anderen Art von Beziehung, als sie unsere rein geistige ist, erlöst sein wollen.“ In einem Brief an Max Brod stellte sich der 74-jährige Leos Janacek diese Fragen, bevor er es wagte, seine Liebe zu der 36-jährigen Kamila Stöslová in seinem 2. Streichquartett der Öffentlichkeit preiszugeben. Im Februar 1928 hatte er ihr mitgeteilt: „Jetzt habe ich begonnen, etwas Schönes zu schreiben. Unser Leben wird darin enthalten sein. Es soll ‚Liebesbriefe‘ heißen. Ich glaube, es wird reizend klingen. Wir hatten ja genug Erlebnisse! Die werden wie kleine Feuer in meiner Seele sein und in ihr die schönsten Melodien entfachen… Das Ganze wird hauptsächlich ein besonderes Instrument enthalten. Es heißt Viola d’amour. Liebesviola.“
Den Plan, die damals gerade erst wiederentdeckte Viola d’amore – ein barockes Instrument – zu verwenden, hat Janacek zwar wieder aufgegeben, das Liebesthema aber blieb für das Quartett bestimmend: „Es ist meine erste Komposition, deren Töne von all dem Liebenswürdigen durchglüht sind, das wir miteinander erlebt haben.“ Dabei ging es ihm um ein öffentliches Eingeständnis ihrer Beziehung, was er von vornherein am Titel des Werkes sichtbar machen wollte.
Dazu wählte er die Metapher von in Noten verschlüsselten Briefen. Zunächst dachte er an Liebesbriefe, dann an das dezentere Intime Briefe. Ganz wörtlich hat man die vier Sätze des Quartetts als vier Liebesbriefe zu lesen, in denen verschiedene Stadien der Beziehung beschrieben werden. Um welche es geht, kann man rekonstruieren, obwohl sich ein detailliertes Programm – vergleichbar der Lyrischen Suite von Alban Berg – nicht erhalten hat. Janaceks Briefe an Kamila sprechen jedoch eine deutliche Sprache:
1. Satz: „Meine Eindrücke, als ich Dich zum ersten Mal sah.“ Nach dem „Thema des Mannes“ im Tutti und Forte trägt die Viola das „Thema der Frau“ vor, das alle Sätze durchzieht. Das Bratschensolo erinnert daran, das es einmal der Liebesviola zugedacht war.
2. Satz: „Heute habe ich mein zärtlichstes Verlangen in Tönen geschrieben … Genau wie Du bist, von Tränen in Lachen wechselnd, so klingt es.“ Der Satz, dessen Thema wiederum in der Viola liegt, schwingt sich zunächst zu feierlicher Expressivität auf, bevor der Ausdruck plötzlich in ein kindlich-spielerisches Presto hinüberwechselt. Am Ende kehren im Grave die beiden Themen von Mann und Frau „im Ton einer Danksagung“ (J. Vogel) wieder.
3. Satz: „Heute beendete ich die Nummer, in der die Erde bebt. Es wird der beste Satz sein … Wie hätte ich nicht beglückt sein können, als ich fühlte, dass die Erde vor Freude unter mir bebte?“ Der Satz beginnt wie ein russisches Wiegenlied, zu dem sich – über dem bebenden Rhythmus der Viola – das Thema der Frau gesellt. Die Presto-Einschübe hat Janacek als „Freudenschreie“ bezeichnet.
4. Satz: „Nun muss der letzte Satz gelingen … Er wird wie die Furcht um Dein Wohlergehen sein. Doch er wird nicht mit der Furcht um mein schönes Wiesel enden, sondern mit großer Sehnsucht, die sich aus sich selbst heraus stillt.“ Nach einem umfangreichen Rondo schließt das Werk in hymnischem Des-Dur – „ein Werk, das an Intensität und Leidenschaft kaum ein Gegenstück in der Kammermusik hat, obwohl es von einem 74-jährigen Komponisten in seinem letzten Lebensjahr geschrieben wurde.“( J. Vogel).
Das Casal Quartett spielt Intime Briefe nach einer Neuedition, die Milan Skampa, der Cellist des Smetana Quartetts, in über 30-jähriger Forschung erstellte.