Quartett Nr. 3 Es-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 44,3
Werkverzeichnisnummer: 2773
1. Introduzione. Andante con moto – Allegro vivace
2. Andante con moto quasi Allegretto
3. Menuetto. Grazioso – Trio (attacca subito:)
4. Allegro molto
Das dritte der 1839 veröffentlichten Quartette op. 44 von Mendelssohn ist das am seltensten gespielte seiner 6 Streichquartette – man muß sagen: seltsamerweise, denn Mendelssohn selbst hielt es für das beste zumindest der Serie, op. 44. Geschrieben wurden die drei Quartette in den Jahren 1837/38, einer Zeit zunehmender Selbstkritik des Komponisten. Als er seinem Bruder Paul 1837 die Stimmen des e-Moll-Quartetts, op. 44, 2, zum Geburtstag schickte, war das Geschenk von schöpferischen Zweifeln begleitet: “Wie gerne hätte ich Dir was Besseres, Hübscheres zum Geburtstag geschickt, aber ich wußte nicht was.” Er nahm sich vor, ein anspruchsvolleres Quartett folgen zu lassen: “In den nächsten Tagen will ich ein neues Quartett anfangen, das mir besser gefällt.” Das Ergebnis dieses zweiten Anlaufs war das Es-Dur-Werk, op. 44, 3.Auch später bekräftigte Mendelssohn des öfteren seine Vorliebe für dieses Werk, das er “einige hundertmal besser” fand als seine beiden Vorgänger. Warum, kann man nur im Vergleich ermessen. Im Gegensatz zu dem virtuosen D-Dur-Quartett, op. 44, 1, und dem leicht sentimentalen e-Moll-Werk, op. 44, 2, ist das Es-Dur-Quartett ein Werk voller Zwischentöne und satztechnischer Kunstgriffe. Durch den gesamten ersten Satz zieht sich mottoartig jenes Sechzehntelmotiv, mit dem er beginnt. Es erscheint als Auftakt, virtuose Spielfigur oder Klanggrund in jedem Teil der kunstvoll gebauten Sonatenform. Dabei folgen auf die lyrisch-weichen Farben des Hauptthemas glänzend virtuose Aufschwünge der ersten Geige, aber auch nachdenklich nach Moll gewendete Stellen wie etwa das zweite Thema, eine gleichsam tastende Melodie über dem unruhigen Sechzehntel-Klanggrund. Die gesamte Durchführung ist diesem fahlen Ausdrucksbereich gewidmet, bevor mit typisch mendelssohnschem Elan die Reprise des Hauptthemas erreicht wird. Wie so oft, hat Mendelssohn hier über das Thema eine geradezu leuchtende Sechzehntelfiguration der ersten Violine gelegt und die gesamte sogenannte “Reprise” der Themen höchst einfallsreich variiert.
Das Scherzo steht – wie meistens bei Mendelssohn – an zweiter Stelle. Es ist hier eine Art Geisterstück, eine wild-rasende Versammlung nächtlicher Spukgestalten. Beinahe zufällig geraten in dieses Treiben ein Fugato und eine traurige Melodie hinein, die später mit dem Hauptthema kunstvoll verbunden werden.
Der langsame Satz beginnt mit einem bekannten Mozart-Motiv und endet mit einer ziemlich unverhohlenen Hommage an Franz Schubert (B-Dur-Klaviertrio), womit Mendelssohn auf die beiden großen Vorbilder für einen lyrischen Gesang von klassischer Schönheit angespielt hat. Über dem pochenden Beginn erheben sich zaghaft gleichsam suchende Melodien, die nie die perfekte Rundung üblicher Mendelssohn-Andantes erreichen. Im kontrapunktischen Moll-Mittelteil wird man sogar in die Welt der späten Beethoven-Quartette versetzt, die der Komponist als Jugendlicher rückhaltlos bewunderte.
Auch in das Finale hat Mendelssohn, dem Charakter eines tänzerisch-brillanten Kehraus zum Trotz, nachdenkliche Episoden einfließen lassen.