Sinfonia Concertante Es-Dur für zwei Bläserquartette und Kontrabass, KV 297b, eingerichtet von Werner Egk
Werkverzeichnisnummer: 2731
1. Allegro
2. Adagio
3. Andantino con variazioni
„Üppige Nachworte waren mir immer ein Greuel. Ein paar ungeordnete kleine Anmerkungen seien ein bescheidenes Zeichen der Dankbarkeit, der Verehrung und der Liebe zu Mozart, diesem menschgewordenen Gestirn!
Wenn man sich einmal damit befassen müßte, wessen Musik im Himmel gespielt werden sollte, so schiene mir weder Beethoven noch Wagner der Richtige zu sein, ja nicht einmal der fromme Bruckner; der große Johann Sebastian vielleicht für besondere Gelegenheiten; für den gewöhnlichen Sternentag könnte man sich mehr auf Mozart einigen.
Über nichts, ja nicht einmal über die frühen Küsse und schüchternen Liebkosungen der ersten Liebe, freut sich die Abendluft inniger, als wenn sie von Mozarts Serenaden unwiderstehlich in Schwingungen gebracht wird. Ja sogar die abgestandene Luft der Säle, in denen die Symphoniekonzerte stattfinden, pflegt sich fühlbar zu reinigen, wenn seine Musik erklingt.“ (Werner Egk)Dieses so unpathetisch-zärtliche und bildhafte Mozart-Bekenntnis des Komponisten, Dirigenten, Schriftstellers und Malers Werner Egk hat in seiner Umarbeitung von Mozarts Sinfonia concertante, KV 297b, am Ende seines Lebens ihren klanggewordenen Dank an dieses „menschgewordene Gestirn“ gefunden. Und dazu gekommen war es so:
Zu seinem 80. Geburtstag spielten wir in einem Serenadenkonzert der Wiesbadener Mozart-Gesellschaft im Kloster Eberbach am Rhein die Uraufführung seiner für uns umkomponierten Ouvertüre zur Oper Die Zaubergeige. Bei nicht nur einem Glas Rheinwein danach versprach er uns eine Umschrift der Mozartschen Sinfonia concertante als eine „richtige Sinfonie zum immer und immer wieder spielen“, wie er mir später das Werk ankündigte. Er hielt sein Wort, und es wurde die letzte abgeschlossene Arbeit vor seinem Tode am Sonntag, dem 10. Juli 1983, merkwürdigerweise am Geburtstag seines langjährigen Freundes Carl Orff.
In dieser Weise überlagern sich Original und Bearbeitung, 18. und 20. Jahrhundert fast überall im Programm, am schönsten vielleicht in Werner Egks Bearbeitung der Sinfonia concertante, KV 297b.
Die Echtheit dieses (nur in einer Abschrift aus dem 19. Jahrhundert überlieferten) Werkes ist in der Mozart-Forschung heftig umstritten. Meinungsumfragen würden wohl ergeben, daß es die meisten Forscher mittlerweile für unecht halten, zwar ein Werk im Stile Mozarts und möglicherweise auf Fragmenten aus seiner Feder basierend, aber doch nicht gänzlich original. Umso reizvoller die Reduktion dieses „halben“ Mozart auf eine Harmoniemusik, in der die Grenzen zwischen dem Pseudo-Original und seiner (doppelten?) Bearbeitung verschwimmen. Es bleibe dem Hörer überlassen, wor er in Werner Egks Bearbeitung noch originalen Mozart zu erkennen glaubt und wo nicht.
2004
MOZART-EGK
Sinfonia concertante, KV 297b
Bläsermusik konnte Mozart in München allenthalben hören, etwa beim musischen Gastwirt Albert, in dessen Domizil Zum schwarzen Adler am Sendlinger Tor Mozart regelmäßig verkehrte. Dort spielten Bläserensembles auf – nicht etwa Vorfahren der zünftigen bayerischen Blasmusik, sondern die damals modischen Harmoniemusiken, sprich: Bläseroktette aus je zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten mit einem Kontrabass ad libitum. Für eben diese Besetzung hat Werner Egk Mozarts Sinfonia concertante, KV 297b, arrangiert, die im Original bekanntlich nur je einen Vertreter der genannten Blasinstrumente als Solisten sowie ein Orchester vorsieht.
Bevor wir uns der komplexen Frage zuwenden, ob KV 297b überhaupt von Mozart stammt und was es mit dem Werk auf sich hat, sei zunächst Werner Egk zitiert, der seine Bewunderung für Mozarts Bläsermusik in eine wunderbare Metaphe gekleidet hat:
„Über nichts, ja nicht einmal über die frühen Küsse und schüchternen Liebkosungen der ersten Liebe, freut sich die Abendluft inniger, als wenn sie von Mozarts Serenaden unwiderstehlich in Schwingungen gebracht wird. Ja sogar die abgestandene Luft der Säle, in denen die Symphoniekonzerte stattfinden, pflegt sich fühlbar zu reinigen, wenn seine Musik erklingt.“ Die Villa Musica und ihre Mitveranstalter brauchen zwar die „abgestandene Luft“ großer Sinfoniekonzertsäle nicht zu fürchten, doch auch in unsere Konzerte weht eine frische Brise hinein, wenn Mozarts Bläsermusik gespielt wird.
Auf die Idee, dem Originalbestand der Mozartschen Bläserwerkeeine Bearbeitung von KV 297b hinzuzufügen, kam Werner Egk im schönen Rheingau unweit von Mainz. Als das Mainzer Bläser-Ensemble unter seinem Leiter Klaus-Rainer Schöll zu Egks 80. Geburtstag in Kloster Eberbach ein Serenadenkonzert spielte, setzte man sich danach zu einem Glas Rheingauer Riesling zusammen. Bei eben diesem versprach der Jubilar dem Ensemble eine Umschrift der Mozartschen Sinfonia concertante, und zwar als „eine richtige Sinfonie zum immer und immer wieder spielen“, wie er sagte. Egk hielt Wort und beendete das Arrangement als letzte Arbeit vor seinem Tod im Juli 1983.
Soweit zur Geschichte unsereBearbeitung. Der Mozartforschung fiele ein Stein vom Herzen, wenn sie über die Entstehungsgeschichte des Originals eben so gut unterrichtet wäre. Denn entweder handelt es sich bei KV 297b um eine Fälschung oder um die Bearbeitung mozartscher Fragmente oder um eine spätere Fassung der verschollenen Pariser Sinfonia concertante für vier Bläser und Orchester.
Als Mozart 1778 nach Paris kam, schien sich die Gelegenheit zu ergeben, für die wichtigste Konzertreihe der Stadt, die „Concerts spirituels“, eine Sinfonia concertante zu schreiben. Solisten sollten die Solobläser der Mannheimer Hofkapelle sein, doch aufgeführt wurde das Stück letztlich nicht, und ob er es wirklich komponiert hat, wie er in seinen Briefen an den Vater beteuerte, darf man bezweifeln. Dennoch hat man diese verschollene Sinfonia concertante für Flöte, Oboe, Horn, Fagott und Orchester zum mutmaßlichen zum Urbild der einzigen erhaltenen Bläserconcertante Mozarts, KV 297b, erklärt. Da letztere jedoch eine andere Besetzung im Soloquartett aufweist, da sie überdies nur in einer Abschrift aus dem frühen 19. Jahrhundert überliefert ist und auch stilistisch manche Fragen offenlässt, hat sie die Neue Mozart-ausgabe nicht in den Kernbestand der gesicherten Mozartwerke aufgenommen.
Man muss es als traurige Tatsache hinnehmen, dass dieses beliebte Stück so, wie wir es kennen, nicht von Mozart stammt. Um die geneigten Hörerinnen und Hörer nun aber nicht gänzlich des geliebten Mozart-Erlebnisses zu berauben, sei so viel gesagt: Die Themen könnten von Mozart stammen, ja gerade die vier Solostimmen atmen den unverwechselbaren Klangzauber und Reichtum eines authentischen mozartschen Bläsersatzes, während die Orchestrierung jeden Mozartkenner in ihrer Stumpfheit irritieren muss. Vielleicht waren es Fragmente aus jener verschollenen Pariser Sinfonia concertante, die ein Bearbeiter hier geschickt arrangiert hat. So darf man auch ruhig die Schönheit des langsamen Mittelsatzes als „mozartisch“ genießen, ebenso die heitere Kunst der abschließenden Variationen. In Werner Egks Bearbeitung treten diese unleugbar mozartschen Stilmerkmale umso schöner hervor, als er das originale Solistenquartett im wesentlichen beließ, während er die Orchesterteile einem zweiten Bläserquartett übertrug. Der Kontrabass sorgt für ein quasi-orchestrales Fundament, und die Flöte als Ersatz für die erste Oboe erinnert in unserer Fassung noch einmal an die verschollene Pariser Sinfonia concertante, die Mozart 1778 vielleicht doch mit nach München brachte.