Concertino | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Grete von Zieritz

Concertino

Concertino für Klarinette, Horn, Fagott und Streichquintett

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2729

Satzbezeichnungen

1. Allegro risoluto con fuoco

2. Andante cantabile

3. Allegretto scherzando

4. Arioso con dolore (attacca:)

5. Presto furioso

Erläuterungen

Mit ihren 99 Jahren ist Grete von Zieritz heute unbestritten die “Nestorin” unter den Komponistinnen in Deutschland. In einem biographischen Einführungstext wies Ursula Stürzbecher treffend auf charakteristische Merkmale ihrer Karriere und Persönlichkeit hin, die sie zu einer Ausnahmeerscheinung in der deutschen Musik dieses Jahrhunderts machen: “In den ersten Oktobertagen des Jahres 1917 betritt Grete von Zieritz, 18jährig, zum ersten Mal Berliner Boden. Gedacht war an einen dreimonatigen Aufenthalt, um ihren bereits konzerterprobten pianistischen Fähigkeiten von Professor Martin Krause, Lehrer von u. a. Claudio Arrau und Edwin Fischer, den letzten Schliff geben zu lassen. Doch Grete von Zieritz blieb für immer in dieser Stadt, die ihr Lebensraum zum Studieren, Komponieren und Arbeiten bot, und die der gebürtigen Wienerin doch niemals zur wirklichen Heimat wurde.

Grete von Zieritz ist eine professionelle Komponistin, eine Idealistin par excellence. Auf Grund einer überaus erfolgreichen Aufführung ihrer ‘Japanischen Lieder’ hatte sie sich 1921 entschlossen, mit jeder Konsequenz ausschließlich Komponistin zu sein. Zur Finanzierung des Komponistenberufs diente das Klavierspielen in Klavierabenden und Kammerkonzerten.

Die Schwierigkeiten eines Komponistenlebens waren ihr bekannt, die Warnungen ihres Berliner Kompositionslehrers Franz Schreker (sie studierte bei ihm von 1926-1931, obwohl sie bereits in Graz ein vollständiges Kompositionsstudium bei Roderich von Mojsisowics absolviert hatte), daß sie als Frau es “schwer haben” werde, schreckten sie nicht: Grete von Zieritz komponierte, wie sie, ihrem eigenen Wesen folgend, aus Intuition und künstlerischer Verantwortung komponieren mußte; sie sagt in Noten, was zu sagen sie sich verpflichtet fühlt. In den Zeiten der größten politischen und künstlerischen Umwälzungen ging sie bewußt ihren Weg, expressiv, von eigenen Wertmaßstäben geprägt. Sie durchlebt zwei Weltkriege, die Ereignisse um sie herum berühren sie tief, sie werden in ihrer menschlichen Konsequenz begriffen und in persönlicher kompositorischer Aussage formuliert…

Grete von Zieritz erhielt Ehrungen, Orden, 1958 wurde sie vom österreichischen Bundespräsidenten zum Professor ernannt; doch Aufführungen in den großen Konzertsälen blieben ihr jahrzehntelang vorenthalten. Ihr Leben war hart und entbeh rungsvoll. Um als Pianistin in Konzerten oder bei Rundfunkaufnahmen engagiert zu werden, komponierte sie viele Werke für Soloinstrumente mit anspruchsvollstem Klavierpart, sie reiste in den dreißiger Jahren im Duo mit dem Flötisten Hans Frenz, in den fünfziger Jahren mit dem Geiger Bernhard Lessmann. Sie unterrichtete Klavier, korrepetierte Liederabende und begleitete während des zweiten Weltkrieges einige der besten Ausdruckstänzerinnen auf ihren Tourneen. Eine feste Anstellung erhielt sie niemals …”.
Eines der jüngsten unter den mehr als 40 Kammermusik-Werken der Komponistin ist das 1982 entstandene Concertino für drei Blasinstrumente und Streichquintett. Der Musikwissenschaftler Albrecht Dümling faßte unter der Überschrift “Instrumente als Darsteller” die quasi-theatralischen Züge dieses Werkes zusammen: “Selbst noch in einem untextierten Werk wie dem 1984 für das Philharmonische Oktett Berlin entstandenen Concertino für Klarinette, Horn, Fagott und Streichquintett läßt sich Szenisches als Hintergrund ahnen. Darauf verweisen schon die Tempovorschriften, die zugleich Ausdrucksbezeichnungen sind: Allegro risoluto con fuoco, Andante cantabile, Allegretto scherzando, Arioso con dolore und schließlich Presto furioso. Die Komposition beginnt mit sehr charakteristischen Rhythmen in den als geschlossene Gruppe behandelten Streichern. Ihnen steht als individuelle ‘Einzelperson’ die Klarinette gegenüber, die mit großer Beweglichkeit Zeit und Raum überbrückt. Die 1. Violine tritt schon nach wenigen Takten aus den kleinstufigen, streng abgezirkelten Bewegungen des Streicherensembles heraus und übernimmt die großstufige Melodik der Klarinette. Nachdem sie inzwischen ein zurückhaltenderes Gegenmotiv in punktiertem Rhythmus gefunden hat (das in variierter Form vom Horn aufgegriffen wird), schwingt sie sich schließlich ‘esaltato’ zu bewegtem Enthusiasmus auf. Solcherart steckt auch im Wechsel der konzertierenden Instrumente und in ihrer gegenseitigen Beeinflussung ein dramatisches Element. Dabei ist die Klarinette, die im Kopfsatz dominiert, vor allem als feuriger Charakter gezeichnet, das Fagott im Andante als gesanglich-lyrisches Element, die Bratsche im Allegretto als der skurrile Faktor, das Cello im Arioso als hochausdrucksvolles Melodieinstrument und der Kontrabaß schließlich im Presto als Motoriker, der auch die anderen in seine schnelle, gleichmäßige Bewegung mitreißt. Dabei liegt dieser Kontrabaßbewegung die gleiche Intervallkonstellation cis-d-f-cis-c zugrunde, mit der die Komposition begonnen hatte.”