“Lamentatio II” zum Karfreitag (Matribus suis dixerunt) für Sopran, 2 Violinen, 2 Violoncelli, Kontrabass und Orgel
Werkverzeichnisnummer: 2681
Franz Xaver Richter ist, biographisch gesehen, ein klassischer “Mannheimer”. In Mähren geboren und von den dortigen Jesuiten ausgebildet, kam er wie zahllose seiner Landsleute in den 1740er Jahren in die aufstrebende Hofkapelle des jungen pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor. Im Gegensatz zu den meisten böhmisch-mährischen Mannheimern war er jedoch nicht Geiger, sondern Bassist. Er trat in diversen Rollen in der Mannheimer Hofoper auf, schrieb ein Oratorium und später auch Kammermusik für den Hof. An der allgemeinen Euphorie für die Sinfonie in Mannheim hat er sich kaum beteiligt, sondern sich auf den Kirchen- und Kammerstil konzentriert. 1769 wurde er zum Domkapellmeister in Straßburg berufen, ein Amt, das er bis zu seinem Tode bekleidete. Die Zeitgenossen rühmten Richter als “ausgezeichneten Componisten, besonders im Kirchenstyle”, was seine Kirchenmusik nachhaltig unterstreicht.
Die Serie seiner Lamentationen ist insofern ungewöhnlich, als sie nicht für ein überschaubares Ensemble, sondern für die unterschiedlichsten Besetzungen komponiert wurden. Die Bandbreite reicht von einfacher Basso continuo-Begleitung bis zum regelrechten Orchester. Unser Beispiel, die zweite Lektion zum Karfreitag, ist mit Sopran, Streichern und Baß besetzt. Sie zeigt in wünschenswerter Klarheit die beiden stilistischen Pole von Richters Musik: zum einen den strengen Kontrapunkt, den er wahrscheinlich bei dem Wiener Hofkapellmeister Johann Josef Fux studiert und in einem eigenen Lehrbuch festgehalten hat; zum anderen den kantabel-galanten Stil des mittleren 18. Jahrhunderts, in dem sich der Sänger Richter an den Opernarien seiner Zeit orientierte.