Liederkreis, op. 39 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Robert Schumann

Liederkreis, op. 39

Liederkreis, op. 39 nach Joseph von Eichendorff

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2661

Satzbezeichnungen

1. In der Fremde

2. Intermezzo

3. Waldesgespräch

4. Die Stille

5. Mondnacht

6. Schöne Fremde

7. Wehmut

8. Zwielicht

9. Im Walde
10. Frühlingsnacht

Erläuterungen

Im Gegensatz zur Dichterliebe mit ihrer zwischen Euphorie, Leidenserfahrung und bitterster Ironie schwankenden Haltung ist der “Liederkreis von Joseph Freyherrn von Eichendorff”, op. 39, ein Höhepunkt negativer Seelenzustände in Schumanns Schaffen. Hatte sich der Komponist für die Notenausgabe der “Myrten” noch einen “grünen oder blauen” Umschlag gewünscht, “da die Lieder meistens heiterer Färbung” seien, so dachte er für den Eichendorff-Liederkreis nurmehr an “Silber” oder “Aschgrau” – Farben, die vollendet das Zwielichtige dieser “Nachtstücke” unter seinen Liedern bezeichnen. Er hatte sie im Mai 1840 in einem wahren Schaffensrausch vollendet: “Ich habe wieder soviel komponiert, daß mirs manchmal ganz unheimlich vorkömmt. Ach, ich kann nicht anders, ich möchte mich totsingen wie eine Nachtigall,” berichtete er Clara. Die Todessehnsucht dieser Äußerung kommt in dem Zyklus unmißverständlich zum Ausdruck. Er läßt nicht, wie “Dichterliebe” oder “Frauenliebe und -leben”, eine Handlung vor dem Hörer entstehen, sondern malt das Bild der romantischen Nacht in all ihren Farben und Facetten aus. Sie sind nichts anderes als Symbole für grundlegende Leiderfahrungen des Menschen.
In den Liedern Nr. 1 und 8, beide “In der Fremde” überschrieben, ist es die “Waldeinsamkeit”, die sich mit der Erfahrung der Entfremdung verbindet. Die Heimat, die “schöne alte Zeit” sind unwiederbringlich verloren, Vater und Mutter “lange tot”; so auch die Liebste, deren Bild das “Intermezzo” und die “Stille” noch liebevoll zeichnen. Auch sie ist in Nr. 8 schon lange gestorben. Das Gegenbild dazu entwirft die “Mondnacht”, in der sich im mystischen Zauber die Seele von ihren Fesseln lösen kann und in eine erträumte Heimat entflieht. “Waldesgespräch” und “Schöne Fremde” beschwören die “phantastische Nacht” mit ihren Zauberwesen und versunkenen Schlössern, in denen sich der Wanderer verliert.
In der zweiten Hälfte des zwölfteiligen Zyklus werden diese Vorahnungen von Selbstverlust und Tod immer deutlicher; das Leid des Einzelnen steht einer trügerischen Wirklichkeit gegenüber. Der eingeschlafne, alte Ritter ist Sinnbild für die erstarrte Gegenwart, in der die schöne Braut “weinet”. Nach dem Schumann-Biographen Peter F. Ostwald könnten damit Clara und ihr Vater Wieck gemeint sein, der die Hochzeit mit Robert gerade zum damaligen Zeitpunkt mit allen Mitteln zu hintertreiben suchte. Die “Wehmuth” des Einsamen – Robert selbst – bleibt der Umwelt verborgen. Im “Zwielicht” verliert er das Vertrauen in die Erscheinungen der Welt und in seine Mitmenschen. Schauer herrschen “Im Walde”, das Bild einer fröhlichen Jagd nur vorspiegelnd. Der Traum vom Glück in der wieder erwachten “Frühlingsnacht” kann einzig Illusion sein. Nach Schumanns eigener Aussage war der Zyklus sein “Romantischstes”, in dem viel von Clara “drinstehe”. Offenbar bezog sich das nicht nur auf die idyllischen Bilder von Nr. 2 und Nr. 4, sondern gerade auch auf die Erfahrungen von Einsamkeit und Verlust.