Divertimento B-Dur, KV 287 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Wolfgang Amadeus Mozart

Divertimento B-Dur, KV 287

Divertimento B-Dur für 2 Hörner, 2 Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass, KV 287, “Zweite Londronsche Nachtmusik”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2646

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Andante grazioso (Thema mit 6 Variationen)

3. Menuetto – Trio

4. Adagio

5. Menuetto – Trio

6. Andante – Allegro molto

Erläuterungen

Mozarts kammermusikalische Divertimenti tragen zwar im Unterschied zu seinen orchestralen Serenaden nicht ausdrücklich den Titel “Nachtmusik”, sind jedoch vom Komponisten und seinem Vater in ihrer Korrespondenz verschiedentlich so bezeichnet worden. So nannte Leopold Mozart die beiden Divertimenti KV 247 und 287 die “Lodronschen Nachtmusiken”, sein Sohn bezeichnete dieselben Stücke als die “zwei Cassationen für die Gräfin”. Der Titel “Cassation” leitet sich von dem Ausdruck “gassatim gehen” im Sinne von “auf der Straße musizieren” ab, bezeichnet also den eingangs erwähnten Brauch des Ständchens unter freiem Himmel, den man für KV 247 und 287 verschiedentlich nachweisen kann.
Mozart schrieb diese beiden Stücke als Namenstagsständchen für die Salzburger Gräfin Antonia Lodron, die glücklicherweise am 13. Juni denselben feierte, so daß einer Aufführung unter freiem Himmel für gewöhnlich nichts im Wege stand. Es handelt sich um wahrhaft fürstliche Ständchen, die in ihrer Besetzung (Streicher und Hörner) sowie im sechssätzigen Aufbau der Tradition des österreichischen Divertimentos folgen. Als Mozart diese Werke 1777 in München zum Besten gab, wunderten sich die Zuhörer über seine virtuose Rolle an der ersten Violine. (“Ich spielte, als wenn ich der größte Geiger Europas wäre.”) In der Tat trägt die erste Violinstimme der 2. Lodronschen Nachtmusik, KV 287, konzertante Züge. Sie ist freilich in einen durch und durch kammermusikalischen Satz von großer Dichte eingebettet.

Im Allegro-Kopfsatz sind es die Triolenfiguren in der zweiten Themengruppe und in der Durchführung, in denen der Primgeiger brillieren kann. Die Themen des Satzes sind eher tänzerisch-gefällig als ausdrucksvoll, bringen jedoch sowohl die Hörner als auch alle vier Streicherstimmen wirkungsvoll zur Geltung. Der folgende Variationensatz über ein volkstümlich schlichtes Thema enthält neben mehreren Soli der ersten Violine (Nr. 6 mit Pizzicato-Begleitung) auch raffinierte Dialoge mit den anderen Instrumenten, so etwa in Nr. 3 mit den Hörnern (Fanfare) und in Nr. 4 mit der Bratsche.
Im ersten Menuett mit seinen ausdruckvollen Vorhalten, insbesondere aber im g-Moll-Trio verlassen wir vorübergehend den Bereich des robusten Divertimento-Musizierens und nähern uns der ausdrucksvollen Kammermusik. Im herrlichen Es-Dur-Adagio wird dieser Eindruck noch vertieft. Die erste Violine trägt, begleitet vom “Orchester” der anderen Streicher, eine pathetische Cantabile-Arie im Stil der Opera seria vor.

Nach dem burschikosen zweiten Menuett hat Mozart diesen ernsten Tonfall in der Einleitung zum Finale noch einmal aufgegriffen. Die erste Violine trägt hier eine Art “Recitativo accompagnato” vor: Sie imitiert den Sprechgesang einer Primadonna, unterbrochen von den Einwürfen des imaginären Orchesters. Nach dieser hochpathetischen Einleitung – mit solchen Tönen gedachte die Primadonna für gewöhnlich ihres hingerichteten Geliebten oder ähnlich dramatischer Umstände – wirkt das Kehraus-Finale umso witziger. Mozart scheint hier eine ländliche Tanzgesellschaft dargestellt zu haben, die ständig mit dem Takt über Kreuz gerät. Daß die erste Violine vor Schluß noch einmal in den Rezitativ-Tonfall zurückfällt, ist ein handfester Witz.