Quartett Nr. 1 D-Dur für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 25
Werkverzeichnisnummer: 2620
1. Andante più tosto allegretto
2. Allegro
3. Menuett. Allegretto
4. Presto
BENJAMIN BRITTEN hat drei Streichquartette unter Opuszahlen publiziert, die als die bedeutendsten britischen Beiträge zu dem Genre anzusehen sind. Vor der Publikation des offiziell ersten Quartetts, op. 25, hat er jedoch – wie Brahms – zahlreiche frühe Streichquartette geschaffen, deren reifstes, im Alter von 17 Jahren komponiertes er kurz vor seinem Tod revidierte und publizierte. Dieses Streichquartett in D-Dur ohne Opuszahl ist nicht mit dem Quartett Nr. 1 in der gleichen Tonart, op. 25, zu verwechseln, das zehn Jahre später, 1941, entstand.
Britten hielt sich damals in den USA auf, wo er unter anderem die Oper Paul Bunyan komponierte. Die bedeutende amerikanische Kammermusik-Mäzenin Elizabeth Sprague Cooldige erteilte ihm – wie später Bartók und Schönberg – den Auftrag zu einem Streichquartett, das 1941 in Los Angeles uraufgeführt wurde.
Im Gegensatz zu den relativ bekannten Quartetten Nr. 2 und Nr. 3 wird Brittens Quartett Nr. 1 heute so gut wie nie aufgeführt. Es fehlen ihm die charakteristischen barocken Züge des zweiten und die spätromantische Abgeklärtheit des dritten Quartetts. Dagegen ist es von strenger thematischer Arbeit geprägt, was von Brittens bewußter Auseinandersetzung mit den klassischen Vorbildern zeugt.
Letztere scheinen auch in den Details der vier Sätze auf: Der einleitende Allegro-Satz in Sonatenform verwendet das von Mozart und Beethoven etablierte Modell einer langsamen Einleitung, die im Satzverlauf gliedernd wiederkehrt. Ihrem zart-schwebenden Klang tritt das Allegro mit scharfen Synkopen-Rhythmen und kompaktem Akkordsatz gegenüber, aus dem sich Cantus firmus-Melodien herauslösen.
Das Scherzo ist – wie auch schon in manchen klassischen Quartetten – an die zweite Stelle gerückt. Es ist ein con slancio (Mit Leidenschaft) zu spielendes Allegretto, in dem kurze, abgerissene Akkorde im Pianissimo, aufbrausende Triolen im Fortissimo und “mit Übertreibung” vorgetragene Triller einander ablösen. Das Andante calmo ist in seiner betont ruhigen Atmosphäre ein für Britten typischer Satz. Das Spiel mit fallenden Motiven in einer renaissancehaften Cantus firmus-Technik stellt einen Rückbezug zur altenglischen Musik her; ungewöhnlich ist aber der 5/4-Takt. Das Finale erinnert nicht nur in seinem Kopfmotiv, sondern auch in dessen quirliger Verarbeitung an Haydn.