“Burleske Musik”
Werkverzeichnisnummer: 2575
1. Vorspiel. Lebhaft
2. Schneller Tanz – Intermezzo (Trio)
3. Langsamer Tanz
4. Marsch
KARL AMADEUS HARTMANN war Münchner und konnte sich – wie er selbst einmal schrieb – “nie von dieser Stadt lösen”. In einem Konzertzyklus, den er für die Künstler-Vereinigung der “Juryfreien” organisierte, erklangen auch seine ersten eigenen Werke – geprägt vom Zeitgeist der 20er Jahre: “Die Epoche der Zwanziger Jahre drückte meinem Leben den Stempel auf. In München gab es im Publikum Zirkel – es waren wenige -, die für neue und neueste Kunst aufgeschlossen waren. Futurismus, Dada, Jazz und anderes verschmolz ich unbekümmert in einer Reihe von Kompositionen. Ich schlug mich nacheinander zu verschiedenen Strömungen, die sich in jenen erregenden Jahren ebenso schnell an der Spitze der Moderne ablösten wie heute. Ich bediente mich der Schemata neuer Ideen, die blitzartig an den differenten Punkten der Welt auftauchten und stürzte mich in die Abenteuer des geistigen Umbruchs, vielleicht nicht ganz frei von dem selbstgefälligen Gefühl, dabei gewesen zu sein”, so Hartmann in seiner autobiographischen Skizze von 1955.
Die beiden frühesten erhaltenen Kammermusikwerke Hartmanns, die Tanzsuite für Bläserquintett und die Burleske Musik, die in unserem Konzert erklingt, sind “repräsentativ für den Kosmopolitismus der Epoche”, wie Andrew McCredie in seiner Analyse der frühen Werke Hartmanns ausführte: “Die Tanzsuite und die Burleske Musik sind in der Tat hervorragende Beispiele von Kammermusikminiaturen, die das Ideal der Spielmusik fortzusetzen suchen, wobei das letztere Werk auch auf Jazzeinflüsse … anspricht. Beide Stücke verwenden ungewöhnlich charakteristische Ensembles, die Tanzsuite Klarinette, Fagott, Horn, Trompete und Posaune, während in der Burlesken Musik ein aus Flöte, Klarinette, Fagott, Horn, Trompete und Posaune bestehendes Sextett durch Schlagzeug und Klavier erweitert wird, das, fast ausschließlich auf rhythmische Punktierung und schlagzeugartige Ostinato-Figurationen beschränkt, als zusätzliches Perkussionsinstrument ange-
sehen werden kann.
Die Satzfolge in den beiden Werken … ist eine Kette von Miniaturen, weitgehend in dreiteiligen Formen. Beide Werke fanden den Beifall der Kritik wegen ihrer Instrumentenbehandlung, besonders aber für die Fähigkeit, den höchst idiomatischen Satz für die verschiedenen Solobläser zur Wirkung zu bringen und die Instrumente aufeinander abzustimmen.
Wie Hindemiths Bläserstücke aus dieser Periode enden beide Werke mit einem Marsch, während ihre ersten Sätze den Charakter einer Intrada haben. Ein erwähnenswerter Zug dieser Kompositionen … ist die Vorliebe für das Ostinato. Ostinatofiguren, auf Notenwiederholungen beruhend oder auf Alberti-Bässen für tiefere Blasinstrumente (am verbreitetsten Fagott, Posaune oder Horn) oder auf eher dekorativen Figurationen in höheren und tieferen Stimmen, werden über ausgedehnte Perioden hinweg als tragender Hintergrund verwendet, auf den melodische Aussagen verschiedener Solisten, einzeln oder im Dialog, projiziert werden. In der Burlesken Musik unterstreicht die Kombination von ausgedehnten perkussiven Alberti-Ostinati des Klaviers mit einer kleinen “Jazz-Kit”-Schlagzeuggruppe, hestehend aus Triangel, Becken, Jazz-Becken, Woodblock, kleiner und großer Trommel, den bukolischen Charakter des zur damaligen Zeit so sehr in Mode befindlichen Jazz-Idioms. Bezeichnenderweise wurde die Burleske Musik, die Elisabeth Reussmann, der späteren Ehefrau des Komponisten, gewidmet ist, Hartmanns erstes veröffentlichtes Werk.” Es wurde 1931 in einem Konzert der “Juryfreien” in München uraufgeführt und 1933 in Berlin gedruckt.