Septett | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Franz Berwald

Septett

Septett für Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 260

Satzbezeichnungen

1. Introduzione. Adagio. Allegro molto

2. Poco adagio. Adagio

3. Finale. Allegro con spirito

Erläuterungen

1996
Franz Berwald: Septett B-Dur

Nil propheta in patria – die Gültigkeit dieses Satzes mußte Franz Berwald zeitlebens erfahren. Dem virtuosen Geiger und hochbegabten Komponisten, der heute als der größe Romantiker Schwedens gilt, brachte man in seiner Heimatstadt Stockholm bis kurz vor seinem Tod kaum Interesse entgegen. Schon dem jugendlichen Komponistentalent wurde eines der üblichen Auslandsstipendien lange Zeit versagt. Seine Bemühungen um einen Lehrauftrag an der Königlichen Musikakademie, dem ehrwürdigen Zentrum des schwedischen Musiklebens, scheiterten. Bei der Wahl eines königlichen Kapellmeisters wurde er zweimal übergangen, und auch mit seinen Opern (Gustav Wasa nach Kellgren, Der Verräter, Estrella de Soria u. a.) konnte er sich weder beim Publikum noch bei der Stockholmer Intendanz durchsetzen. Gezwungenermaßen wandte sich Berwald ins Ausland und anderen Beschäftigungen zu. Er lebte ab 1829 in Berlin, wo er sehr erfolgreich ein Institut für orthopädische Gymnastik leitete. Unstete Reisejahre schlossen sich an, in denen zwischen Paris, Wien und Salzburg seine wichtigsten Werke entstanden (Symphonien Nr. 2 bis 4, Streichquartett Nr. 3). Erst 1849 kehrte er endgültig nach Schweden zurück. Weil er dort vom Komponieren noch immer nicht leben konnte, verdiente er sein Geld als Geschäftsführer einer Glashütte in Nordschweden. Erst im letzten Lebensjahrzehnt fand er bescheidene künstlerische Anerkennung.

Musikalisch spricht Berwald “eine Sprache von unbezweifelbarer Originalität” (Robert Layton). In ihr verbinden sich klassizistische Melodik mit romantischen Modulationen, solider Kontrapunkt mit Neuartigkeit der Instrumentation, thematische Arbeit mit spektakulären Formexperimenten. Berwalds Septett ist dafür ein Musterbeispiel, knüpft es doch in der Besetzung und vielen Details (solistische Führung der Violine etc.) an Beethovens Meisterwerk der Gattung von 1799 an. “Beethovenisch” ist etwa die Art, wie das Baßmotiv der langsamen Einleitung ins Hauptthema des Allegros hinüberwandert, eingebettet in ein Klanggewebe aus langen Bläserakkorden und Pizzicato, das Berwalds eigenwillige Kunst der Instrumentierung offenbart. Das Hauptthema und sein schlichtes Gegenstück werden in großen harmonisch-rhythmischen Steigerungen sinfonisch entwickelt – bis hin zu einem merkwürdig verklingenden Schluß.
Im zweiten Satz hat der Komponist ein Formexperiment der Spätromantik vorweggenommen, das er selbst in seinem 3. Streichquartett und seiner 3. Sinfonie wieder aufgriff: Adagio und Scherzo sind ineinander verschränkt; das Prestissimo des letzteren bildet den schnellen Mittelteil des ersteren. Das Adagio wird von der Klarinette mit einem schwedischen Volkslied eröffnet, das im folgenden in die Violine und in die Bässe wandert; das Beethovennahe Scherzo hat wiederum ein eigenes Trio. Auf das Trio folgt zunächst die Scherzo-Reprise, dann erst die Adagio-Reprise.

Das Finale ist wie der erste Satz in zwei verschiedenen Fassungen überliefert, die erstmals 1985 im Rahmen der Berwald-Gesamtausgabe von Hans Eppstein herausgegeben wurden. In der Endfassung hat Berwald mehrere komplette Passagen gestrichen, darunter einen Einschub in der Durchführung und virtuose Violinpassagen. In der Endfassung ist der Satz ein stringenter Sonatensatz. Unklar ist bis heute, ob die Frühfassung des Werkes mit einem Septett identisch ist, das Berwald bereits 1817 in Stockholm komponierte. Das Manuskript der Endfassung ist mit 1828 datiert.