Suite aus The Fairy Queen | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Henry Purcell

Suite aus The Fairy Queen

Suite aus The Fairy Queen

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2564

Satzbezeichnungen

Prelude
Air
Intrada
Rondeau
Gig
Air
Hornpipe

Erläuterungen

In unserer Suite aus Henry Purcells Bühnenwerk The Fairy Queen (Die Feenkönigin) fungieren die Holzbläser als Ersatz für ein Streichorchester. Bläserbearbeitungen dieser Art waren im London der Purcell-Zeit durchaus alltäglich. Die sogenannten „town waits“, städtische Musiker, gaben auf drei Oboeninstrumenten und Posaune die neuesten Schlager der Londoner Opern zum besten. Zweifellos gehörten die herrlichen Melodien aus The Fairy Queen dazu, denn diese gigantische Revue über Shakespeares Sommernachts-traum war eines der populärsten Bühnenwerke der Zeit.
Man hat es mit einer „Semi-Opera“ zu tun: In Shakespeares Komödie wurden musikalische Intermezzi eingelegt, die mit der Handlung nur vage verknüpft waren. So findet man etwa eine Szene von Göttern, die die Feenkönigin Titania in den Schlaf singen, oder einen prachtvollen Auftritt der Vier Jahreszeiten zu Ehren des Feenkönigs Oberon. Aus den orchesterbegleiteten Tänzen dieser Einlagen und den kurzen Zwischenaktmusiken kann man reizvolle Suiten zusammenstellen.

3000 Pfund, nach damaliger Währung eine ungeheure Summe, kostete das verschwenderische Bühnenspektakel, das man am 2. Mai 1692 im Londoner Drury Lane Theater Shakespeares „A Midsummer Night’s Dream“ angedeihen ließ. Für die Engländer des Barockzeitalters war es zwar selbstverständlich, die Dramen ihres größten Dichters weiterhin aufzuführen, doch sie schreckten dabei vor rigorosen Eingriffen nicht zurück. Was ein unbekannter Bearbeiter anno 1692 der Geschichte vom Traum einer Mitsommernacht angedeihen ließ, war die Verwandlung in eine Bühnenshow der Superlative. Die „Special effects“ der Bühnenmaschinerie und die Tänze des Choreographen Josias Priest drängten sich so unnachgiebig in Shakespeares Handlung hinein, dass vieles von ihr geopfert werden musste, um Platz für die großen neuen Szenen zu machen, die man am Ende der Akte einlegte. „Masques“ nannte man diese Einlagen, die nach dem Vorbild der „Entrées“ in den französischen Opernballetten Tanz mit Orchesterbegleitung, Solo- und Chorgesang miteinander verbanden.

Nur wenige dieser „Masques“ hatten einen direkten Bezug zur Handlung, wie etwa die wunderschöne Szene der Nacht, in der Titania mit dem eselsköpfigen Zettel an ihrer Seite in den Schlaf gesungen wird. In den meisten Fällen schalten und walten Tänzer und Musiker nach Gutdünken: Die Personifikationen der vier Jahreszeiten treten auf, um Oberon zu huldigen. Ein betrunkener Dichter und eine spröde Schäferin treiben ihr Unwesen, ja sogar ein chinesisches Paar tritt auf, um die große Chaconne im letzten Bild tanzend zu eröffnen.

Der barocken Fantasie waren keine Grenzen gesetzt, und so war es durchaus berechtigt, dem Ganzen einen neuen Titel zu geben, der die Feenkönigin Titania in den Mittelpunkt rückte und mit ihr das fantastische Element: „The Fairy Queen“. Eine echte Königin saß im Publikum: Queen Mary mit ihrem Gemahl William III. an der Seite. Sie fanden das Spektakel, für das sich der Theaterunternehmer fast ruiniert hatte, berauschend und durften sich in den Gestalten von Oberon und Titania wieder erkennen, obwohl die Königin von England natürlich nie mit einem Rüpel an ihrer Seite aufwachte.

Der wahre König des Abends hieß Henry Purcell. Der 32jährige Genius des englischen Barock schuf mit „The Fairy Queen“ seine genialste, prächtigste und kunstvollste „Semi-Opera“, wie man jenes spezifisch englische Gemisch aus Schauspiel und Oper nennt. Die zwei Stunden Musik, die er zu dem mindestens vierstündigen Abend beitrug, gehören zum Besten, was die Barockmusik hervorgebracht hat. Mit Recht, wenn auch mit großer Verzögerung hat „The Fairy Queen“ in den letzten beiden Jahrzehnten ihren Einzug auf den modernen Bühnen und in den Konzertsälen gehalten, teils mit, teils ohne Shakespeares Komödienhandlung.

Wer aus dem Fundus dieser überreichen Partitur eine Orchestersuite zusammenstellen will, hat die Qual der Wahl. Schon vor Beginn der Handlung hört man nicht eine, sondern drei Ouvertüren: die träumerische „First Music“, eine Art Präludium im englischen Stil, die eigentliche Ouvertüre im französischen Stil und eine Canzona im italienischen Stil. So virtuos wie hier jonglierte Purcell überall mit den nationalen Stilen und Formen seiner Epoche. Neben freien Präludien und Zwischenspielen sowie der großen Chaconne am Ende hat man es meist mit zweiteiligen Tanzsätzen in französischen Formen zu tun, mit Allemanden und Couranten, zauberhaften Sarabanden und beschwingten Menuetten. Manches davon muss man sich im exotischen Gewand vorstellen wie etwa den „Dance for the Green Man“, das meiste ist jedoch schlicht bezauberndes Bühnenspektakel zu einer Feenshow.