Sonate c-Moll für Klavier, D 958
Werkverzeichnisnummer: 2538
1. Allegro
2. Adagio
3. Menuetto. Allegro – Trio
4. Allegro
FRANZ SCHUBERTS c-Moll-Sonate ist die erste der drei letzten Klaviersonaten aus dem Todesjahr des Komponisten 1828. Der besondere Rang dieses Zyklus als eines kompositorischen Vermächtnisses wurde schon 1838 von Robert Schumann in einem Artikel über “Franz Schubert’s letzte Compositionen” angesprochen; für ihn waren sie dort angesiedelt, “wo die Phantasie durch das traurige ‘Allerletzte’ nun einmal vom Gedanken des nahen Scheidens erfüllt ist”.
Musikalisch dagegen erschienen ihm diese Schubert-Sonaten “auffallend anders als seine andern, namentlich durch viel größere Einfachheit der Erfindung, durch ein freiwilliges Resignieren auf glänzende Neuheit … Als könne es gar kein Ende haben, nie verlegen um die Folge, immer musikalisch und gesangreich rieselt es von Seite zu Seite weiter, hier und da durch einzelne heftigere Regungen unterbrochen, die sich aber schnell wieder beruhigen.”
Schumann verkannte erstaunlicherweise die Gebrochenheit des Musizierens, die hinter diesen Werken steckt. Wenn Schubert etwa im Finale der c-Moll-Sonate den galoppartigen Rhythmus des Rondothemas endlos fortzuspinnen scheint, so wird damit ein musikalischer Zeitbegriff verwirklicht, der, an Beethoven gemessen, um 1830 völlig neu und unverständlich war. Die Hintergründigkeit des scheinbar so naiven Musizierens bricht in diesem Satz in der Durchführung auf, die zwar von einer einfachen Liedmelodie eingeleitet wird, diese aber in Folge förmlich zerstückelt und in einen Modulationenstrudel hineinreißt, der bereits die Chromatik Liszts vorwegzunehmen scheint.
Das Aufreissen einer vertrauten Fassade bestimmt auch die übrigen Sätze. So erinnert der Kopfsatz in seinem c-Moll-Pathos zunächst an Beethoven, eine Assoziation, die sich freilich im ländlerhaften Seitenthema verliert. Der unüberbrückbare Gegensatz zwischen den beiden Themen wird in der Durchführung nicht vermittelt; der Satz schließt mit einer neuen, resignierend absteigenden Baßbewegung.
Auch das Adagio setzt scheinbar vertraut ein – im breiten Legato eines Beethoven’schen Gesangs in As-Dur. Diesem tritt bald eine an die Winterreise erinnernde “wandernde” Liedmelodie in fis-Moll gegenüber, woran sich als dritte Ebene pulsierende Triolenklangflächen anschließen, die sich in überraschenden Modulationen zu großen Steigerungen aufbauen. Diese Anlage aus drei gegensätzlichen, antithetisch einander gegenüberstehenden Themen erinnert an die großen mehrteiligen Gesänge der Winterreise, wie etwa den Frühlingstraum, wo auch die Quellen zum Verständnis eines solchen Satzes liegen. (In gleicher Weise kann man das Hauptthema des ersten Satzes auf das Heine-Lied Der Atlas aus Schuberts Schwanengesang beziehen.)
Das Menuett ist ein nicht minder doppelbödiges Spiel mit Klischees, denn der scheinbar so gemächlich-repräsentative Duktus des alten Tanzsatzes wird durch Pausen aufgebrochen und durch bizzarre Episoden ins Groteske verkehrt.