Bläserquintett „Opus Number Zoo, Children’s Play for Wind Quintet“ für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott (1951, rev. 1970), Text: Rhoda Levine
Deutsche Version:
Friedl Hofbauer
Werkverzeichnisnummer: 249
1. Barn Dance (Tanz in der Scheune)
2. The Fawn (Das Reh). Calmo
3. The Grey Mouse (Die Maus). Presto
4. Tom Cats (Die Kater)
Ausgang nehmend bei Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“ widmeten sich seit Beginn des 20. Jahrhunders viele Komponisten wie Boulez, Schulhoff, Kagel, Ligeti, Nono u.a. der Sprachkomposition, bei der der Text nicht gesungen wird, sondern die Sprache als Klangmaterial verwendet wird. Luciano Berio knüpft in vielen seiner Werke, so auch in seinem OPUS NUMBER ZOO, an diese Tradition an. In dem 1951 entstandenen, 1970 reviedierten Werk für Bläserquintett und Sprecher wird in jedem Satz eine kleine Geschichte erzählt. Der Text wird dabei auf verschiedene Sprecher (die Instrumentalisten) verteilt, bleibt aber immer verständlich und zusammenhängend. Die märchenhaften Fabeln von Rhoda Levine (deutsche Version: Friedl Hofbauer) versammeln den ganzen Zoo einheimischer Wald-, Wiesen-, Haus- und Stalltiere, einschließlich dem Menschen: Das Hühnchen ist stolz, mit dem Fuchs tanzen zu dürfen, und merkt nicht, wie ein Licht, nämlich sein eigenes, erlischt; das Reh sinniert darüber, was wohl der Grund dafür sein mag, daß das Zweibein (der Mensch) die Welt zertra pelt; die alte Maus, die keine Lust mehr hat zu tanzen, gibt den jungen Mäusen den Rat, sich vor der Zeit zu hüten; und zwei streunende Großstadtkater liefern sich eine heftige Straßenschlacht, bevor sie zerzaust nach Hause „hupfen“.
2001:
Werke haben im allgemeinen Opusnummern – nicht so Luciano Berios zweites Bläserquintett Opus Number Zoo. Sein Titel spielt auf das Klischee vom Opus Nr. xy an, zugleich auf die zoologische Komponente, die Musik im Allgemeinen, Kinder- und Märchenmusik im Besonderen auszeichnet – von den ersten Vogelstücken der Renaissance bis hin zu Ravels Märchenzyklus Mutter Gans.
Auch in Opus Number Zoo geht es um Tiergeschichten. Man darf dabei ruhig an das ländliche Italien der Kriegsjahre denken, in dem Luciano Berio aufwuchs (im ligurischen Imperia). 1951, als er sein Kompositions- und Dirigierstudium bei Ghedini und Giulini in Mailand beendet hatte, setzte er den Haustieren Italiens mit Opus Number Zoo ein liebevolles Denkmal. Wie alle seine Kollegen aus der Avantgarde-Generation (Stockhausen, Boulez u.a.) suchte auch Berio damals nach neuen Formen des Musizierens. Eine davon, die sog. „Sprachkomposition“, hat für sein Children’s Play for Woodwind Quintet Pate gestanden. Im Gefolge von Schönbergs Pierrot lunaire strebte man nach neuen Verbindungen zwischen gesprochenem Wort und Musik. Heute, nach einem halben Jahrhundert Avantgarde, kann uns keiner dieser Versuche schockieren, damals jedoch löckten sie wider den Stachel des gediegenen Kammermusizierens und zwangen die Instrumentalisten, sich in neue Rollen zu finden.
In Berios Opus Number Zoo müssen sie spielen, d.h. nicht nur „musizieren“, sondern auch an einem kindlichen Spiel teilnehmen: Jeder darf eine Geschichte erzählen, während die anderen weiterspielen. Der Text von Rhoda Levine (deutsch: Friedl Hofbauer) berichtet von kuriosen, aber auch doppelbödigen Tierschicksalen. Im ersten Satz lässt sich ein Hühnchen auf einen Tanz mit dem Fuchs ein und merkt zu spät, dass dabei ein Licht erlischt – sein eigenes Lebenslicht. Das Reh denkt im zweiten Satz über den Sinn des Lebens nach, insonderheit über die Frage, warum das Zweibein, genannt Mensch, eigentlich immerzu die Welt zertrampele. Die alte Maus im dritten Stück ist tanzmüde geworden. Sie hält den jungen Mäusen eine Predigt über die Last des Alters. Zwei streunende Großstadtkater liefern sich im Finale ein beein-druckendes Gefecht. Beide können nur mit Blessuren den Heimweg antreten.