Sonatine Nr. 1 F-Dur für 16 Bläser, AV 135, “Aus der Werkstatt eines Invaliden”
Werkverzeichnisnummer: 2471
1. Allegro con brio
2. Andantino, sehr gemächlich
3. Menuett. Etwas lebhaft – Cantabile – Tempo primo
4. Einleitung. Andante – Allegro
SPÄTE MUSIK VON STRAUSS mit einem Frühwerk desselben Komponisten zu vergleichen, hat seinen eigenen Reiz. Denn was dort als Versprechen für die Zukunft sich andeutete, ist hier eingelöst, und zwar in einer altmeisterlichen Manier, deren spätes Feuer sich hinter Gelassenheit verbirgt. Mit den Opern Die Liebe der Danae und Capriccio sah Richard Strauss sein Lebenswerk als beendet an. Die späten Instrumentalwerke, die er zwischen 1943 und 1947 schrieb, bezeichnete er lediglich als “Werkstattarbeiten, damit das vom Taktstock befreite rechte Handgelenk nicht vorzeitig einschläft”. Das erste dieser Werke war die zwischen März und Juli 1943 komponierte Sonatine Nr. 1 für 16 Bläser. Strauss gab ihr den Titel Aus der Werkstatt eines Invaliden, dessen zweite Hälfte auf seine Genesung von einer schweren Grippe anspielt, während das etwas vordergründig wirkende “Aus der Werkstatt” mit dem zitierten Begriff der “Werkstattarbeit” zusammenhängt. Während aber die meisten dieser “Handgelenksübungen” längst zu Repertoirestücken geworden sind – das Oboenkonzert, die Metamorphosen, das 2. Hornkonzert u. a. – ist die 1. Bläsersonatine wie ihr Schwesterwerk, die 2. Sonatine Fröhliche Werkstatt, bis heute nahezu unbekannt geblieben.
Dies liegt natürlich an der umfangreichen Besetzung. Wie schon in zwei Jugendwerken (Suite op. 4, Serenade op. 11) nahm sich Strauss die größtbesetzte klassische Bläser-Serenade – Mozarts Gran Partita für 13 Bläser – zum Vorbild, deren Besetzung er noch um drei Instrumente erweiterte. Zu den zwei normalen und zwei tiefen Klarinetten, die schon Mozart vorsah, kommt eine fünfte hinzu. Außerdem werden zusätzlich zwei Flöten eingesetzt. Charakteristisch für den Klang sind die von Mozart übernommenen vier Hörner und zwei Fagotte sowie Kontrafagott. Sie verleihen dem Ganzen sinfonischen Charakter, so daß der Titel “Sonatine” – auch angesichts der zeitlichen Ausdehnung – als pure Untertreibung erscheint. Man hat es mit einer Sinfonie für Bläser zu tun.
Der Kopfsatz ist geprägt vom harmonischen Changieren des späten Strauss, aus dem sich blühende Kantilenen, aber auch arabeske Scherzando-Motive herauslösen. Sie werden in einem langen und komplexen Sonatensatz verarbeitet. Romanze und Menuett, die in einem Satz miteinander verbunden sind, huldigen dem Mozart der Hornkonzerte und Serenaden, der auch für das quirlige Thema des Finales Modell stand.