Sextett für zwei Violinen, zwei Violen und zwei Violoncelli
Werkverzeichnisnummer: 2425
1. Allegro moderato
2. Andante con moto – Scherzo. Allegro giusto
3. Finale. Allegro animato
FRANK BRIDGE war der Lehrer von Benjamin Britten. In dieser einen Eigenschaft ist er auf dem Kontinent noch dem Namen nach bekannt, ohne dass eines seiner Werke Eingang ins Repertoire gefunden hätte. Selbst die wichtigste englisch-sprachige Musikenyzklopädie – das New Grove’s Dictionary of Music and Musicians – musste 1980 zugeben: „Die Isolation des englischen Musiklebens von den großen Entwicklungen auf dem Kontinent behinderte die Anerkennung für die Musik von Bridge. Doch die poetische Einsicht und erschöpfende technische Meisterschaft seines Werkes garantieren ihm einen dauerhaften Platz.“ (A. Payne)
Wie die anderen Komponisten unseres Programms war auch Bridge Instrumentalist, nämlich einer der besten Bratschisten seiner Zeit, Mitglied des Joachim Quartetts und des English String Quartet und ein viel beschäftigter Solist. Seine Kammermusik, die die frühe Phase seines Schaffens bestimmt, ist ganz von der Vertrautheit mit dem Streicherklang geprägt, wie Edwin Evans 1929 schrieb: „Sein handwerkliches Geschick ist so groß, dass man es gelegentlich „zu professionell“ genannt hat, doch es trägt zweifellos zur Bequemlichkeit der Spieler bei, die weder in der Spieltechnik noch im Verständnis mit unüberwindlichen Schwierigkeiten konfrontiert werden… Bridge ist in seiner Kammermusik ein Eklektiker der post-romantischen Ära, ohne revolutionäre Ambitionen, aber mit einem Sinn für die Synthese des Vorhandenen zu einem persönlichen Stil. Er ist einer der wichtigsten Vertreter des „rechten Flügels“ in der britischen Kammermusik, und einer von denen, die am meisten für ihre Bereicherung getan haben.“
Das Streichsextett, das über einen relativ großen Zeitraum zwischen 1906 und 1912 entstanden ist, zeigt in Form und Stil deutlich die erwähnten eklektischen Züge. Die Form ist ganz von dem spätromantischen Gedanken der thematischen Vereinheitlichung aller Sätze durchdrungen: Das einleitende Allegro moderato in Sonatenform bringt in der Reprise die Themen in umgekehrter Reihenfolge; langsamer Satz und Scherzo sind – wie in manchen Werken von Dvorak und Brahms – miteinander verschmolzen; das Finale erscheint als große Synthese der Themen aller drei Sätze.
Der Klang erscheint – wie es in einer Kritik des Werkes hieß – „durchweg klar, wobei die Streichsextette und – quintette von Brahms als naheliegendes Modell gedient haben dürften … In mancher Hinsicht hat sich Bridge sogar wirkungsvoller Kontraste im Timbre bedient, die Brahms nicht genutzt hat. So bleiben etwa im ersten Satz die Violinen über weite Strecken ausgespart, was ihrem Wiedereintritt zusätzlichen Glanz verleiht.“ Auch im Ausdruck hat man das Werk als glanzvoll bezeichnet. „Es ist ein euphorisches Werk, luxuriös, von friedvoller Lyrik durchdrungen, die würdige Krönung der ersten Schaffensperiode des Komponisten.“ (Harry Halbreich) Im nicht allzu reichen Repertoire an Streichsextetten stellt es den wichtigsten englischen Beitrag dar.