Streichquartett, op. 3 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Alban Berg

Streichquartett, op. 3

Quartett für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 3

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 240

Satzbezeichnungen

Langsam – Mäßige Viertel

Erläuterungen

“Alles ist paff, dass das Quartett 13 1/2 Jahre alt ist”, schrieb Alban Berg nach der triumphalen Aufführung seines Streichquartetts op. 3 in Salzburg 1923 an seine Frau Helene. Das Staunen der damaligen Musikwelt über die Größe, aber auch Neuartigkeit eines damals bereits “alten” Werkes hat sich über 70 Jahre später noch nicht verloren. Auch für ein heutiges Publikum ist das Quartett, das Berg im Alter von 24 Jahren als Schüler Arnold Schönbergs in Wien schrieb, ein sozusagen unbewältigter Meilenstein der Moderne.

Bis zur Salzburger Darbietung war es fast unbekannt geblieben. Die Uraufführung durch ein ad hoc zusammengestelltes Quartett im Wiener Musikverein 1911 fand nicht die erhoffte Resonanz, ebensowenig eine Einstudierung durch Bergs Freund Anton von Webern mit dem Feist-Quartett 1919. Daß es ausgerechnet das junge Havemann-Quartett war, das dem Werk 1923 zum Durchbruch verhalf, hatte viel mit der vorurteilsfreien Begeisterung der jungen Musiker für moderne Musik zu tun: “Vier blonde, lustige, sehr begeisterte und eifrige Musiker… als ich sah, wie die mein Quartett schon fast auswendig kennen, wie die das von selbst schon als ganz richtiggehende Musik empfanden und hinlegten, ging mir das Herz auf! Es ist halt doch was anderes, als diese Dilettanten-Quartettspielereien im Verein,” so Berg. Die Analogien zur Einstudierung durch Webern 1919 und zur Salzburger Premiere 1923 machen dieses Quartett zu einem Idealstück für das Villa Musica-Podium junger Künstler, bei dem ebenfalls ein junges Quartett unter Anleitung eines mit dem Stück vertrauten Dozenten für Berg plädiert. Der Salzburger Aufführung gelang es, “die sogenannt wildesten und gewagtesten Stellen” in “eitel Wohlklang im klassischen Sinn” zu verwandeln, so daß sogar der Komponist selbst “in dem Wohlklang und der feierlichen Süße und Schwärmerei dieser Musik” schwelgte.

“Zweifellos das auffallendste Phänomen des Quartetts ist eine Zweisätzigkeit, durch die es sich”- so Ferdinand Redlich – “von Schoenbergs 1905 bzw. 1908 vollendeten zwei Streichquartetten ebenso unterscheidet wie von Weberns Fünf Sätzen für Streichquartett, op. 5, die 1909 entstanden waren.” Redlich führte als Vorbilder für diese Anlage Gustav Mahlers Sinfonien Nr. 5 und 8 an, in denen sich zwei Sätze wie Exposition und Durchführung einer Sonatenform zueinander verhalten, was auch bei Berg der Fall ist, wo das thematische Material des 1. Satzes im 2. mehrmals in verarbeiteter Form wiederkehrt. Andererseits hat Theodor W. Adorno die beiden Sätze als Sonatenform und Rondo interpretiert, wobei es sich beim 1. Satz um ein Adagio handelt und das Rondo-Thema des 2. Satzes bei jeder Wiederkehr variiert wird. Die Hauptthemen hat Redlich auf Vorbilder von Wagner bis Strauss zurückgeführt.“Über die Verwandtschaftsbeziehungen aller übrigen Themen des an motivischen Varianten weniger Grundthemen überreichen Werkes ließe sich eine lange Abhandlung schreiben.” Wichtiger erscheint der “gewaltsame Durchbruch” von Bergs “schöpferischer Individualität” in Opus 3. “Es enthält in nuce alle Charakteristiken von Bergs reifem Stil in erstaunlich früher und prophetischer Vorschau der künftigen Eigenentwicklung. Was ihm an lyrischer Zartheit … etwa abgeht, das ersetzt es durch explosive dramatische Unmittelbarkeit.”