Sinfonia e-Moll | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Alessandro Scarlatti

Sinfonia e-Moll

Sinfonia Quarta e-Moll, aus 12 Sinfonie di concerto grosso

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2381

Satzbezeichnungen

Vivace – Adagio – Allegro – Adagio – Allegro

Erläuterungen

Wir sind gewohnt, Barockmusik mit den Namen Bach, Händel und Vivaldi zu verbinden. Eher ungewohnt ist es, ein ganzes Konzert dem Namen “Scarlatti” zu widmen, noch dazu verbunden mit dem Vornamen “Alessandro” statt des ungleich berühmteren “Domenico”. Domenico Scarlatti, der wie Bach und Händel 1685 geboren und durch seine über 500 Cembalosonaten unsterblich wurde, war jedoch zu seiner Zeit nur der Sohn eines viel berühmteren Vaters. Alessandro Scarlatti und nicht etwa sein Sohn galt als der angesehenste italienische Komponist des Spätbarock. Er war der Schöpfer der spätbarocken Oper, der italienischen Kantate und des Oratoriums in jener Form, in der diese Gattungen von Händel u. a. aufgegriffen wurden. In Fragen der Harmonie und des Kontrapunkts war er eine unumstößliche Autorität, was er des öfteren in öffentlichen Auseinandersetzungen um musiktheoretische Fragen zur Geltung gebracht. Vor allem aber war er der vollendete Repräsentant der italienischen Gesellschaft des Spätbarock mit ihrem zwischen Schäferidylle und tief empfundener Religiosität schwankenden Ausdrucksbedürfnis. SCARLATTI war Sizilianer, wirkte aber als Kosmopolit in allen Teilen des politisch zerstrittenen Italien. In Palermo geboren, kam er schon als Kind nach Rom, wo er bereits mit 19 Jahren im Dienst der Königin Christina von Schweden berühmt wurde. Mit gerade 23 wurde er Hofkapellmeister in Neapel, dem damals spanisch beherrschten Zentrum Süditaliens, in dem er der Barockoper ihre letzte und endgültige Form gab. Die glanzvolle Serie seiner neapolitanischen Opern, die von Oratorien für römische Kurienkardinäle begleitet wurde, ging nach 1700 in den Wirren des Spanischen Erbfolgekrieges unter. Der Krieg verschlug Alessandro und seine beiden heranwachsenden Söhne Domenico und Pietro 1703 wieder nach Rom. Dort bekleidete der Vater rasch wechselnde Stellen im Dienst der Kirche und protegierte nach Kräften seine Söhne, die beide Komponisten wurden. Zugleich komponierte er im Auftrag des Großherzogs der Toskana für Florenz und einige, allerdings wenig erfolgreiche Werke für Venedig. In Rom traf er auch mit dem jungen Händel zusammen, was in der Karwoche 1708 zu einer glanzvollen Doppelaufführung von Scarlattis Passionsoratorium und Händels Auferstehungsoratorium führte.
Wieder in Neapel, das nun nicht mehr spanisch, sondern österreichisch regiert war, setzte Scarlatti ab 1709 sein Opernschaffen fort, geriet aber zunehmend unter den Druck eines sich wandelnden Zeitgeschmacks, wie man es auch im Spätwerk Bachs beobachten kann. Ab 1715 lebte er als graue Eminenz des italienischen Musiklebens teils in Rom, teils in Neapel, wo er 1725 hochangesehen starb.
Wenig sparsam in der Instrumentierung sind Scarlattis Sinfonie di concerto grosso, die in unserem Programm als Intermezzi zu den Vokalstücken dienen. Im Gegensatz zu vielen seiner auf die Vokalmusik spezialisierten Kollegen überließ Scarlatti die Instrumentalmusik nicht anderen. Neben den zahllosen Einleitungssätzen zu seinen Opern, Oratorien und Kantaten hat er zwei Zyklen von Concerti geschrieben, die freilich bis heute relativ unbekannt geblieben sind, weil sie zu seinen Lebzeiten nicht im Druck erschienen. Mit der Komposition der 12 Sinfonie di concerto grosso begann er im Sommer 1715. Man hat diesen Zyklus als Wendepunkt seiner Karriere bezeichnet, als ein Symptom für seinen Rückzug vom Modestil der Zeit auf eine bewußt konservative Position, die er für die letzten 10 Jahre seines Lebens einnahm. Entsprechend altmodisch wirken diese Stücke, wenn man sie mit den Concerti Vivaldis aus der gleichen Zeit vergleicht. Dennoch hat Scarlatti mit diesen aus vielen kurzen, zum Teil fugierten Sätzen bestehenden Concerti Nachfolger gefunden, wie etwa Francesco Durante, der sein musikalisches Erbe in Neapel antrat.