Drei sinfonische Skizzen, “La Mer”
Werkverzeichnisnummer: 2306
1. De l’aube à midi sur la mer
2. Jeux de vagues
3. Dialogue du vent et de la mer
CLAUDE DEBUSSY repräsentiert innerhalb unseres Programms die Tradition der vierhändigen Orchestertranskriptionen des 19. Jahrhunderts. Sie waren zunächst rein usueller Natur – gewissermaßen der Schallplattenspieler der Epoche, mit dem sich jeder Liebhaber die Sinfonien der großen Meister nachhause holen konnte. Ein Komponist wie Brahms war gewohnt, zu seinen sinfonischen Werken den Verlegern ganz selbstverständlich eigene Fassungen a quatre mains mitzuliefern. Um die Jahrhundertwende wurde allerdings das Zweckobjekt in Frankreich zum Kunstprodukt mit Eigenwert, wie dies besonders deutlich Strawinskys und Ravels Arrangements für zwei Klaviere zeigen. Debussys A-quatre-mains-Fassung seiner “Drei symphonischen Skizzen” La Mer, 1905 angefertigt, steht in der Mitte zwischen beiden Tendenzen.
Die Entstehung der Vorlage fiel in die erste Zeit des Ruhmes, den sich der Komponist mit der Uraufführung von Pelléas et Mélisande 1902 erworben hatte. Er gewann an Einfluß im Musikleben und äußerte sich zunehmend auch theoretisch zu seinem Komponieren. La Mer ist “die geniale Verwirklichung seiner Theorien. Debussy schreibt eine dreisätzige Sinfonie, die nicht das geringste mit der Durchführungs- und Steigerungstechnik der herkömmlichen Sinfonik gemein hat … Die rhythmische Struktur ist von einer Vielfalt, die alles übertrifft, was bisher in der Sinfonik üblich war. Es gibt an manchen Stellen des ersten und zweiten Satzes eine rhythmische Polyphonie, die alle kühnen Bindungen der jungen französischen Schule vorausnimmt. Und selbst im Finale, das unzweifelhaft einen dramatischen Naturvorgang musikalisch stilisieren will, dominiert der Rhythmus über die sogenannte dramatische Linienführung” (H. Strobel). Die Skizzen tragen die programmatischen Titel De l’aube à midi sur la mer (“Von der Morgendämmerung bis zum Mittag auf dem Meer”), Jeux de vagues (“Spiel der Wogen”) und Dialogue du vent et de la mer (“Zwiesprache von Wind und Meer”).