“Variationen über ein Thema von Paganini”
Werkverzeichnisnummer: 2305
WITOLD LUTOSLAWSKIS Gefühle, den Deutschen gegenüber, mochten in der Entstehungszeit seiner Paganini-Variationen nicht weniger haßerfüllt gewesen sein, als die Debussys 1915: Warschau war von der Wehrmacht besetzt, die Aufführung nationaler Musik in den Konzerten verboten. Die polnischen Komponisten mußten ins Caféhaus ausweichen, einerseits um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, andererseits um überhaupt noch Werke aufführen zu können. Im Klavierduo mit dem Pianisten Andrzej Panufnik trat auch Lutoslawski von 1939 bis 1944 täglich in einem Warschauer Café auf. Er schrieb dafür über 200 Arrangements – von Bach bis Ravel und Debussy -, die fast ohne Ausnahme im Warschauer Aufstand den Flammen zum Opfer fielen. Die Ausnahme waren die Paganini-Variationen, die Lutoslawski und Panufnik 1941 im Caféhaus uraufgeführt hatten. Daß sie später zu einem Standardwerk der Literatur für zwei Klaviere avancieren würden, konnte der Komponist damals noch nicht ahnen. “In meinen Augen war das eindeutige Kaffeehausmusik”, sagte er, “die ihrem Zweck auch völlig entsprach.”
Das Werk knüpft an eine lange und prominente Tradition von Paganini-Variationen an, die alle das berühmte Thema der 24. Caprice des Italieners in a-Moll verarbeiten. Die berühmtesten aus dem 19. Jahrhundert stammen von Liszt und Brahms. Kurz vor oder nach Lutoslawski schrieben Rachmaninow, Casella, Dallapiccola und Blacher entsprechende Zyklen. “In dem, was der polnische Komponist in knapp sieben Minuten (sämtliche Variationen natürlich attacca) am Hörer vorbeizeihen läßt, beweist er einen sicheren Instinkt für harmonische Ausstattung und Modifizierung sowie einen klaviergerechten Satz. Meist arbeitet er mit halb- oder ganztaktigen Strukturzellen in der Begleitung. Zu den insgesamt 12 Wandlungen möchte man schon gleich das erste Auftreten des Themas (Allegro capriccioso, a-Moll, 2/4) ob seiner revolutionierenden Harmonieauskleidung hinzuzählen.” (C. Rüger)