Quintettino C-Dur, op. 30,6 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Luigi Boccherini

Quintettino C-Dur, op. 30,6

Quintettino C-Dur für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli, op. 30,6, “La Musica notturna delle Strade di Madrid”

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2268

Satzbezeichnungen

1. Introduzione. Ave Maria delle Parrochie

2. Menuetto dei Chiechi (Allegro)

3. Rosario (Largo assai)

4. Passacalle (Allegro vivo)

5. Ritirata (Maestoso)

Erläuterungen

Boccherini habe “die Streicher und die Musikliebhaber vielleicht mit mehr exzellenten Kompositionen versorgt als irgendein anderer Komponist unserer Zeit, ausgenommen Haydn,” so rühmte dem Italiener ein kundiger Zeitgenosse nach. Laboratorium für Streicher. In seinen zahllosen Quintetten spielt das Cello eine herausragende und äußerst virtuose Rolle, was auf sein eigenes Cellospiel, aber auch auf das seines Berliner Auftraggebers verweist. Auch Mozart wies bekanntlich in seinen “Preußischen Quartetten” Friedrich Wilhelms Cello eine fürstliche Rolle zu. Für den überwiegenden Teil seiner insgesamt 125 (!) Streichquintette wählte Boccherini deshalb die Besetzung mit zwei Celli, die später Schubert aufgreifen sollte, anstelle derjenigen mit zwei Bratschen, die Mozart favorisierte.

Der nächtlichen Klangkulisse seiner Wahlheimat Madrid widmete Boccherini sein Quintettino C-Dur, op. 30, 6, mit dem Titel “La Musica notturna delle strade di Madrid” (Die Nachtmusik der Straßen von Madrid). In ihm gab er seiner Neigung zur naturalistischen Klangmalerei so weit nach, daß er selbst glaubte, niemand könne das Stück verstehen, der Madrid nicht kennt. Gott sei Dank ließ er sich trotz dieser Bedenken zur Veröffentlichung des Werkes überreden, das zu seinen fantasievollsten Partituren zählt.

Im ersten Satz kann man das “Ave Maria delle Parrochie” hören, das nächtliche Gebet der Madrider Pfarreien, im zweiten tanzen die “Ciechi”, die Blinden, Menuett zur Pizzicatogitarre der Streicher. Nach dem in der Stille des Gebetes verharrenden Largo mit dem Titel “Rosario” (Rosenkranz) folgt als zentraler Satz eine Passacallia. In ihr wird sozusagen die Ethymologie des Wortes lebendig, das sich vom spanischen “Passar una calle”, eine Straße entlang gehen, herleitet. “Passacallia” bezeichnete ursprünglich die Musik, mit der man in Spanien Straßenprozessionen begleitete. Bei Boccherini sind es “Los Manolos”, die Straßensänger, die die “calle” passieren und dabei ihre arabisch eingefärbten Weisen singen. Die Bilderfolge schließt mit der berühmten “Ritirata”, dem Zapfenstreich der Nachtwache. Dieser Satz war seinerzeit so beliebt, dass Boccherini ihn noch zweimal wiederverwendete: für ein weiteres Streichquintett und ein Klavierquintett, das auch als Gitarrenquintett erschienen ist. Sein moderner italienischer Nachfahre Luciano Berio hat alle diese Fassungen in einem Orchesterstück gewissermaßen überblendet und damit bewiesen, wie nahe schon Boccherini modernen Techniken der Klangcollage war.