Quartett Nr. 2 für zwei Violinen, Viola und Violoncello, op. 56
Werkverzeichnisnummer: 2267
1. Moderato
2. Vivace scherzando
3. Lento
KAROL SZYMANOWSKY, der Vater der polnischen Moderne, trat vor allem mit Symphonien, großen Chorwerken, Opern und Balletten an die Öffentlichkeit. In ihnen verband er Traditionen der Spätromantik mit der Idee einer polnischen Nationalmusik zu einer Art neoromantischem Nationalstil, in den auch Einflüsse von Strauss, Skrjabin und Strawinsky einflossen. Die Begeisterung des Komponisten für die nationale Musik seiner Heimat hatte persönliche Gründe: Szymanowski hegte, wie er selbst sagte, eine “fanatische Liebe für die Idee Polens”. Nach dem Ende des 1. Weltkrieges bot sich endlich die Gelegenheit, sie in einem freien Polen auszuleben. Deshalb entschied er sich – trotz weit attraktiverer Angebote aus dem Ausland (USA, Kairo) und trotz der Gefährdung, die das polnische Klima für ihn persönlich bedeutete –, im Lande zu bleiben und in seinen großen Werken eine musikalische “Idee Polens” zu schaffen. Darüberhinaus unterrichtete er ab 1927 als Direktor des Warschauer Konservatoriums die Jugend des Landes in Komposition, eine aufreibende Lehrtätigkeit, der er zeitweise sogar seine eigene kompositorische Produktivität opferte.
Das zweite Streichquartett op. 56 komponierte Szymanowski 1927, noch vor der Zeit des intensivsten Unterrichtes, auf dem Höhepunkt seiner “nationalen”, d. h. folkloristischen Stilphase, was besonders im zweiten Satz deutlich wird. Das Quartett knüpft an jene neuen Mittel der Klanggestaltung und Harmonik an, die der Komponist in seinem Stabat mater von 1925/26 entwickelt hatte, weist aber auch schon auf die letzten bedeutenden Kompositionen voraus: die 4. Symphonie (1932) und das 2. Violinkonzert (1932/33).
Das Werk besteht aus drei Sätzen, die klassischen Formmodellen folgen. Der erste steht in einer modifizierten Sonatenform, der zweite in Rondoform, verknüpft mit Variationen. Melodik und Rhythmik dieses Satzes sind von der Volksmusik der Golaren, eines Bauernstammes in den nördlichen Karpaten, geprägt. (Szymanowski griff auf dessen Folklore auch in dem Liederzyklus Slopwienie zurück.)
Das Finale ist eine vierstimmige Doppelfuge über zwei ebenfalls volkstümliche Themen. “In einer Periode des Neoklassizismus entstanden”, ist das Quartett “ein Beweis dafür, daß die klassische Tradition kontinuierlich und ohne stilistische Brüche mit einer neoromantisch bis expressionistisch gefärbten Klangtechnik verbunden werden kann.” (Vorwort zur Partitur der Universal-Edition).