Sonata Es-Dur für Streicher, RV 130 , „Al Santo Sepolcro“
Werkverzeichnisnummer: 2234
1. Largo molto
2. Allegro
Noch 1728 hatte Vivaldi auf der Höhe seines Ruhms gestanden. 50.000 Dukaten pro Jahr soll er verdient haben, und Kaiser Karl VI. höchstpersönlich gewährte ihm in Triest Audienz. Die Wiener Hofchargen munkelten, der Kaiser habe mit dem venezianischen Musiker in zwei Tagen mehr gesprochen als mit seinen Ministern in zwei Jahren, was zu dem gutherzigen, musikbesessenen Habsburger passen würde. Vivaldi dedizierte ihm dafür ein Opus mit 12 Concerti (La Cetra, Opus 9) und versicherte sich dadurch der kaiserlichen Gnade – für die Zukunft.
10 Jahre später wollte er auf diesen Stein bauen. Ein übereifriger Kirchenfürst hatte dafür gesorgt, dass die Situation in Venedig eskaliert war, weil Vivaldi seit Jahren mit der Primadonna Anna Girò und deren Schwester das Haus teilte. Für einen geweihten Priester, der Vivaldi ja war, bedeutete die unterstellte wilde Ehe einen handfesten Skandal. Also machte er sich auf gen Norden und traf 1740 in Wien ein. Der Kaiser aber, dem er so viel verdankte, starb kurz danach. Friedrich II. von Preußen fiel in Schlesien ein, und die Tagesereignisse überrollten den Wiener Hof. Für einen 62jährigen italienischen Geiger hatte keiner Zeit oder Interesse.
Die Sonata Sento Sepolcro Es-Dur, RV 130 ist als Hommage an dieses traurige Ende gedacht, zugleich aber auch als Erinnerung an religiöse Bräuche, die während der „Settimana Santa“, der Karwoche, sowohl in Wien als auch in Italien üblich waren. Der Name deutet auf jenen Nachbau des Heiligen Grabes (ital. Santo Sepolcro) hin, in den man am Karfreitag eine Jesusfigur in feierlicher Zeremonie hineinbettete, begleitet von entsprechender Musik.
In Wien ließ der Kaiser in der Regel italienische Oratorien am „Santo Sepolcro“ musizieren, in Venedig waren es feierliche Streichersonaten wie die von Vivaldi.
Sie steht in einer besonders ausdrucksstarken Tonart, ist aus einem düsteren Adagio mit liegenden, dissonanten Akkorden und einem fugierten Allegro aufgebaut und fängt in ihrer schmerzlichen Gedrücktheit den heiligsten Moment der Karwoche ein. Nichts in diesem Stück erinnert an die extrovertierte Manier der Konzerte Vivaldis.