Violinsonate G-Dur, op. 96 Nr. 10 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Ludwig van Beethoven

Violinsonate G-Dur, op. 96 Nr. 10

Sonate G-Dur für Violine und Klavier, op. 96

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 224

Satzbezeichnungen

1. Allegro moderato

2. Adagio espressivo

3. Scherzo. Allegro

4. Poco Allegretto (con Variazioni)

Erläuterungen

Der große Zyklus der zehn Violinsonaten Beethovens schließt mit einem Werk von schlichtem Ausdruck und gesanglicher Schönheit: der G-Dur-Sonate, op. 96. Sie entstand 1812, im selben Jahr wie die 7. und 8. Symphonie.

Schwerlich dürfte eine Violinsonate unter erlauchteren Bedingungen uraufgeführt worden sein: Bei einer Art Vor-Silvester-Konzert im Palais des Fürsten Lobkowitz spielten am 29. Dezember 1812 Erzherzog Rudolph, ein Bruder das Kaisers, am Klavier und der französische Geigenvirtuose Pierre Rode das Werk vor ausgesuchtem Publikum. Ein Kritiker hatte das Vorrecht, für Glöggls Zeitung von dem vornehmen Abend zu berichten. Man darf es nicht als Schmeichelei vor dem Kaiserhaus missverstehen, wenn er bemerkte, „dass der Klavierpart weit vorzüglicher, dem Geiste des Stücks mehr anpassend, und mit mehr Seele vorgetragen ward, als jene der Violine. Herrn Rodes Größe scheint nicht in dieser Art Musik, sondern im Vortrag des Concerts zu bestehen.“ Dennoch fand Rode die Sonate so dankbar, dass er sie in das Programm seines Wiener Konzertdebüts im Januar 1813 aufnahm und auch mit dem Erzherzog noch ein weiteres Mal spielte.

Dass dieser Beethovens Klavierpart so authentisch zu interpretieren wusste, hing übrigens damit zusammen, dass er die Sonate unter des Meisters Leitung einstudiert hatte. Beethoven hat sie dem Erzherzog dann auch gewidmet. Der „erhabene Schüler“, wie er „Ihro Kaiserl. Hoheit“ nannte, schickte sich damals an, zum wichtigsten Gönner des Meisters zu werden, welcher ihm später Werke wie die letzte Klaviersonate, op. 111, und die Missa solemnis dedizierte. 1812 standen die beiden in fast täglichem Kontakt und bestem Einvernehmen künstlerischer Art. Es stellt dem Klavierspiel des erzherzoglichen Schülers das beste Zeugnis aus, wenn ihm der Meister nach der Sonate Opus 96 gleich auch noch das Klaviertrio Opus 97 widmete.

Von Pierre Rode, dem Violinpartner des Erzherzogs, war Beethoven weniger begeistert – und die Wiener ebenso. Obwohl er als eine Art Paganini des Nordens galt, konnte er in seinem Wiener Debütkonzert das Publikum „nicht bis zum Enthusiasmus erwärmen“. So zumindest wollte es der Geiger Louis Spohr beobachtet haben, der damals in Wien zugegen war. Er vermisste in Rodes Spiel „die frühere Kühnheit in Besiegung großer Schwierigkeiten“ und war „besonders unbefriedigt vom Vortrage des Cantabile“.
Auf diese zweite Schwäche hat Beethoven in der G-Dur-Sonate keine Rücksicht genommen, denn die ersten drei Sätze – überaus kantabel im Duktus – waren schon geschrieben, als Rode in Wien eintraf und sich Beethoven entschloss, die Sonate für ihn fertigzustellen. Lediglich im Finale konnte der Komponist den Wünschen des Virtuosen Genüge tun, indem er die Scheu des alternden Rode vor schnellen Passagen mit einkalkulierte. Etwas griesgrämig schrieb Beethoven an den Erzherzog: „Wir haben in unsern Finales gern rauschendere Passagen, doch sagt dies Rode nicht zu und – genierte mich doch etwas.“ Uns Nachgeborene muss Beethovens erzwungener Verzicht auf ein virtuoses Finale nicht „genieren“. Dank Rode schließt die G-Dur-Sonate so kantabel und schlicht, wie sie begonnen hat.

Offenbar war schon der Kritiker der Uraufführung von dieser Schlichtheit angetan: das Werk übertreffe fast alle anderen Violinsonaten Beethovens an „Popularität, Witz und Laune“, so sein Resümee. Im ersten Satz schlagen beide Themen unüberhörbar Ländler-Töne an, verraten also den „populären, launigen“ Zug zum Volkston. Die Art, wie Geige und Klavier die Themen in lyrisch-feinem Dialog ausspinnen, sucht unter den Violinsonaten Beethvens tatsächlich ihresgleichen. So beginnt die Sonate mit nichts als einem Ländler-Motiv aus vier Tönen, das die Geige ans Klavier weiterreicht und das beide gemeinsam ausspinnen, bis in nur leicht kesserem Staccato das zweite, ebenso lyrische Thema einsetzt. Nach Triolenpassagen, die stets wieder ins Lyrische zurückfallen, schließt die Exposition „in rührender Naivität“ (Thayer). Während sich die Durchführung auf die Ausarbeitung der „naiven“ Schlussgruppe konzentriert, kehren die Themen in der Reprise ohne jede Eigenwilligkeit wieder.

„Atmet der 1. Satz sinniges, anschauendes Genießen, Heiterkeit, Glück, Zufriedenheit, so entfaltet dagegen der zweite eine breite Kantilene von starkem Ausdruck verhaltener Leidenschaftlichkeit,“ so Thayer über das Es-Dur-Andante, das ein subtiles Spiel mit dem Metrum in zwei- und dreitaktigen Phrasen offenbart. Im g-Moll-Scherzo nehmen linke und rechte Hand des Pianisten die Geige in die Mitte. Über fast 100 Takte bleibt der Satz dieser kompakten Akkordik verpflichtet und entfaltet dabei „jovialen Humor“ (Thayer). Das für Rode komponierte Finale besteht aus einem wundervoll gesanglichen Poco Allegretto mit Variationen.