Nonett Es-Dur für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabass, op. 38
Werkverzeichnisnummer: 2181
1. Adagio – Allegro
2. Andante con variazioni
3. Scherzo. Vivace – Meno mosso
4. Adagio – Allegro
Louise Farrenc gilt als die „bedeutendste Komponistin in der Mitte des 19. Jahrhunderts“ (MGG), was ihre jüngst vollständig auf CD erschienenen Sinfonien zu bestätigen scheinen. Sie stammte aus einer Pariser Künstlerfamilie und war mit dem Musikverleger Aristide Farrenc verheiratet, der ihre Werke im Druck herausgab. Nicht nur deshalb – der Kampf ihrer Kolleginnen um publizistische Anerkennung blieb ihr erspart -, sondern wegen der puren Qualität ihrer Werke fand sie schon zu Lebzeiten breite Anerkennung in Frankreich und Belgien. Man pries ihre Kompositionen „wegen der Klarheit der Konzeption“ (Gazette musicale), der guten Orchestrierung (Berlioz) und der „erhabenen Einfälle“ (Prix Chartier). Schumann meinte, „ein ganz leiser romantischer Duft“ schwebe über ihnen fort.
Ihr Nonett aus dem Jahre 1849 spiegelt in der Besetzung die Pariser Tradition des Bläserquintetts wider. Die Besetzung Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott hatte sich aus den Bläserklassen des Pariser Conservatoire heraus entwickelt. Sie wird in Farrencs Nonett mit den vier gängigen Streichinstrumenten kombiniert.
Im Aufbau läßt das Nonett die Anlehnung an die Klassiker erkennen. Der erste Satz folgt dem Modell von Mozarts Es-Dur-Sinfonie, KV 543, indem auf ein feierliches Adagio im Vierertakt ein kantables Allegro im Dreiertakt folgt. Mozartisch muten insbesondere die Bläsersoli der Einleitung an, wie überhaupt der Stil eher klassisch als romantisch wirkt. Auf das Allegro mit Durchführung, Reprise und Violinkadenz kurz vor Schluß folgt ein Andante mit vier Variationen und Coda. Ähnlich dem Variationensatz in Franz Schuberts Oktett beruht auch dieser auf einem volkstümlich schlichten Thema, indem Streicher und Bläser einander ablösen. Dieses Wechselspiel wird auch in den Variationen beibehalten; nur die 3. Variation bleibt fast ganz dem Bläserquintett vorbehalten, während die Coda pastorale Züge annimmt.
Das Scherzo hebt den Gegensatz zwischen Streichern und Bläsern wirkungsvoll hervor: Das Streicherthema, im pizzicato vorgestellt, greifen die Bläser in langen legato-Bögen auf. Seine weitere Verarbeitung zeugt vom Einfluß der Beethoven-Sinfonien auf Farrenc. Als Trio fungiert ein idyllischer Satz für solistische Bläser, begleitet von Figurationen der Solo-Bratsche.
Das Finale beginnt – nach kurzer langsamer Einleitung – mit einem witzigen Klangspiel von Horn und Klarinette, was einen tänzerischen Kehraus anzukündigen scheint – eine Erwartungshaltung, die der Satz in denkbar schwungvoller Manier einlöst.