Concerto g-Moll, RV 103 | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Antonio Vivaldi

Concerto g-Moll, RV 103

Concerto g-Moll, RV 103

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2177

Satzbezeichnungen

1. Allegro

2. Largo

3. Allegro

Erläuterungen

Antonio Vivaldi war einer der wenigen Komponisten des Barock, die bereits die Klarinette einsetzten, wohl im Zusammenhang mit Musikerinnen des erwähnten Ospedale, die sie beherrschten. Die Bezeichnung „Clarin“, die man in einigen seiner Concerti und seinem Oratorium Juditha triumphans findet, bezieht sich, wie die Musikwissenschaft nach langen Auseinandersetzungen nun endgültig geklärt hat, auf die Klarinette, nicht etwa auf die hohe Klarintrompete. Deshalb ist es durchaus kein Stilbruch, die Oboe in Vivaldis g-Moll-Concerto für Flöte, Oboe und Fagott durch Klarinette zu ersetzen.

Dieses kleine Meisterwerk ist ein echtes Concerto, nicht etwa eine Triosonate. In Vivaldis Oeuvre gibt es neben den bekannten Concerti für ein Soloinstrument – Violine, Flöte, Oboe etc. -, Streichorchester und Basso continuo auch sogenannte „Concerti da camera“, die für wenige Spieler geschrieben sind. In dieser Werkgruppe herrschen Kombinationen mit solistischen Bläsern (Flöte, Oboe, Fagott) vor.

Das kleinstbesetzte dieser Stücke, die im Ryom-Verzeichnis der Werke Vivaldis die Nummern 87 bis 108 einnehmen, ist unser g-Moll-Concerto, RV 103. Es zeigt in nuce alle Eigenschaften, die wir auch an den „großen“ Mollkonzerten des Venezianers schätzen, etwa am Sommer und Winter aus den Vier Jahreszeiten: prägnante Themen für alle drei Instrumente als sogenannte Ritornelle in den beiden schnellen Ecksätzen, dazwischen feurige Passagen für die einzelnen Instrumente als Soli, eine bezaubernde „singende“ Melodie im Mittelsatz und gewagte Chromatik im Finale.

2004
ANTONIO VIVALDI
Concerto g-Moll, RV 103

Tausende von Venedig-Touristen passieren täglich auf der Riva degli Schiavoni, dem breiten Kai vor Dogenpalast und Seufzerbrücke, die wichtigste Wirkungsstätte Antonio Vivaldis, das ehemalige Ospedale della Pietà. 35 Jahre lang unterrichtete er in diesen Räumen, die heute eine Pension seines Namens füllt, mittellose junge Venezianerinnen auf der Violine und im Orchesterspiel. Wenn in unserem Programm die beiden Violinen, Flöte, Horn und Klarinette von Musikerinnen gespielt werden, so hatte dies im 18. Jahrhundert nur an einem Platz in Europa ein Äquivalent: in Venedig. Denn hier lag die viel bewunderte Kunst venezianischen Orchester- und Solospiels nicht in männlichen, sondern fast gänzlich in weiblichen Händen, über deren Virtuosität sich die gebildeten Reisenden nicht überschwänglich genug verbreiten konnten. Vivaldi hätte seine Freude an unserer Serenade und ihren Interpretinnen gehabt.

Im Touristentrubel des heutigen Venedig bleiben die Steintafeln zu seinen Ehren an Kirche und Ospedale der Pietà meist ebenso unbeachtet wie der Weg von der Riva degli Schiavoni zur stillen Kirche S. Giovanni in Bragora, in der Vivaldi 1678 getauft wurde. Kaum besucht sind heute auch die zahlreichen Häuser, die Vivaldi im Laufe seines Lebens in Venedig bewohnte, zuletzt immerhin einen der Palazzi neben der Rialtobrücke. Kein seriöses Museum erinnert an den berühmtesten musikalischen Sohn der Lagunenstadt, dem sie doch europäischen Ruhm und bis heute einträgliche Einkünfte verdankt. Vivaldi machte Venedigs Concerti zum Exportschlager in der ganzen Welt, seine Opern feierten bis nach Mailand und Prag aufsehenerregende Erfolge, und der unverwechselbare Klang, den er kreierte, gilt noch für das Fernsehen des 21. Jahrhunderts als unverzichtbarer Soundtrack für alle stimmungsvollen Venedigbilder.

Wenn Vivaldi besonders gut aufgelegt war und einmal nicht für eines der öffentlichen Konzerte, zu denen die Touristen seiner Zeit ins Ospedale strömten, Streicherkonzerte mit Solovioline schrieb, dann erfand er für die musizierenden Mädels des Instituts kleine Concerti in raffinierten Klangkombinationen: Concerti da camera. Hier finden sich wenige Solisten bzw. Solistinnen zu fein dosierten Klangkreationen aus Streich- und Blasinstrumenten zusammen. Vivaldi dachte beim Schreiben dieser Werke nicht nur an seine geliebten Schülerinnen im Ospedale, sondern auch an die Bedürfnisse barocker Hofkapellen und ihrer „Cammermusici“ (die natürlich durchweg Männer waren). Höfische Kammermusiker aus dem Norden, wie etwa diejenigen des Dresdner Kurprinzen Friedrich August, suchten Vivaldi geradezu in Scharen heim, um solche kostbaren Concerti zu erwerben. „Il prete rosso“, der „rothaarige Priester“, wie Vivaldi wegen seiner Haarfarbe und seiner ursprünglichen Profession in Venedig allgemein genannt wurde, hat selbst einmal das Amt eines Hofkapellmeisters bekleidet: 1718 bis 1720 in Mantua. In Diensten des Landgrafen Philipp von Hessen-Darmstadt, den es im Zuge kaiserlicher Machtpolitik als Regenten nach Italien verschlagen hatte, schrieb er Opern, Kantaten und eben solche Concerti da camera. Sie gehören zum Erlesensten und Virtuosesten, was es in der barocken Kammermusik gibt.

Im heute gängigsten Vivaldi-Werkverzeichnis, das der dänische Musikforscher Peter Ryom anlegte, sind die Concerti da camera unter den Nummern 87 bis 108 verzeichnet. Unser erstes Concerto in g-Moll-Concerto, RV 103, ist das am kleinsten besetzte dieser Serie. Es kommt mit nur drei Instrumenten aus – Flöte, Oboe und Fagott – und zeigt doch in nuce alle Eigenschaften, die wir auch an den großen Mollkonzerten des Venezianers schätzen, etwa am Sommer aus den Vier Jahreszeiten: Eine unverwechselbare Moll-Stimmung, die zwischen Melancholie und bizarren Einfällen die Waage hält; prägnante Themen in den Ecksätzen und eine bezaubernde Kantilene im Mittelsatz; Passagen von perlender Geläufigkeit, die an der Schnur der vivaldischen Quintfall-Sequenzen aufgereiht werden.