Klarinettenquintett | Kammermusikführer - Villa Musica Rheinland-Pfalz

Paul Ben-Haim

Klarinettenquintett

Quintett für Klarinette und Streichquartett

Besetzung:

Werkverzeichnisnummer: 2163

Satzbezeichnungen

1. Molto moderato

2. Capriccio. Molto vivo – Poco più tranquillo – Tempo I

3. Tema con variazioni. Sostenuto e dolce

Erläuterungen

Tel Aviv, 1933: Der Münchner Paul Frankenburger, Komponist der „Münchner Schule“ und Dirigier-Assistent von Knappertsbusch und Bruno Walter, kommt auf der Flucht vor den Nazis in Palästina an. Als Paul Ben-Haim wird er die israelische Musik begründen in Werken wie der Ersten Sinfonie, die er 1940 unter dem Eindruck der Zeitereignisse komponierte. „Die schrecklichen Kräfte der Zerstörung, die den Boden unter unseren Füßen wegzogen, haben meinem Werk ihren Stempel aufgedrückt,“ so sein Kommentar zu der Sinfonie und den anderen Stücken jener Periode.

Zu ihnen gehört auch das Quintett für Klarinette und Streichquartett, komponiert 1941, doch veröffentlicht erst 1965. Es ist in seinen drei Sätzen formal der europäischen Spätromantik verpflichtet, in Klang und Themenbildung den pastoralen Traditionen des Nahen Ostens. Diese Synthese sah Ben-Haim als seine Lebensaufgabe an; er identifizierte sich mit einer in den 40er Jahren in Palästina entstandenen Bewegung, die schon damals – wie heute im sogenannten Cross over – nach der musikalischen Vereinigung von Orient und Okzident strebte.
Der erste Satz des Quintetts, Molto moderato, beginnt mit einem leisen C in Klarinette, Cello und Bratsche und findet ganz am Ende wieder zu diesem Ausgangston und den pochenden Achteln der Bratsche zurück. Die weit ausgesponnene Klarinettenmelodie des Beginns, eine Art Klagegesang, verharrt fast vollständig im Pianissimo, manche Töne sollen sogar „lontano“, also wie von weither gespielt klingen. Das Pochen der Achtel in den Mittelstimmen wird allmählich drängender bis zu einem ersten Forte-Höhepunkt, der sich bald wieder in den leisen Tönen des Anfangs verliert. Zwischen beiden Ebenen – drängenden Achteln und breitem Cantabile – wechselt der Satz mehrmals hin und her.

Der zweite Satz, Capriccio überschrieben, entspricht einem Scherzo mit schnellem Hauptteil und langsamem Trio. Der Hauptteil, ein Pizzicato-Klangspiel der Streicher, wird von der Klarinette mit arabesken Läufen kommentiert. Im Trio beruhigt sich die nervöse Bewegung zu gesanglichen Phrasen im Dreiertakt. Nach der variierten Wiederholung des Hauptteils werden in der Coda die Themen beider Teile miteinander kombiniert.

Das Variationen-Finale hat Ben-Haim später in erweiterter Form separat veröffentlicht. Als Pastorale variée für Klarinette, Harfe und Streichorchester gehört es zu seinen bekanntesten Werken. In der kammermusikalischen Urfassung kommt der pastorale Charakter des Themas bereits deutlich zur Geltung, sowohl durch die einfachen Harmonien als auch durch den simplen Begleitsatz der Streicher. In den fünf Variationen wird der Satz allmählich kontrapunktisch aufgefächert und das Thema in verschiedene Richtungen umgedeutet: zuerst als Grazioso, dann Molto dolce mit Flageoletts, schließlich Allegretto leggiero. In der letzten Variation klingt das Werk misterioso aus.