Sonata Nr. 2 g-Moll für zwei Oboen , Fagott oder Violoncello und Basso continuo
Werkverzeichnisnummer: 2145
1. Andante
2. Allegro
3. Andante
4. Allegro
ZELENKA gehört zu den großen Entdeckungen der Barockmusik. Jene Solistenschar um Heinz Holliger, die vor 30 Jahren mit der Ersteinspielung seiner Sonaten seine Wiederent-deckung einleitete, muss bass erstaunt gewesen sein: Ein solcher Reichtum an Kontrapunkt, eine solche Fülle an Einfällen und extravaganten Modulationen hätte keiner von Triosonaten für Oboen und Bass erwartet. Noch heute sind die Allegrosätze dieser Sonaten für Oboisten eine Herausforderung, die Fagottsoli nur mit Vivaldi zu vergleichen, die Doppelfugen singulär.
Man kann in diesen Stücken Zelenkas Genius bewundern und Spuren seiner böhmischen Musikalität entdecken, man kann sie aber auch als Dokumente für die Kunst der Oboisten am Dresdner Hof verstehen. 1718, vier Jahre vor Zelenka, widmete Telemann seine Kleine Cammer-Musik den Oboisten François le Riche und Franz Richter, “Sr. Königlichen Majestät von Polen und Chur Fürstlichen Durchläucht von Sachsen bestallten Cammer-Musicis.” In der Widmungsvorrede wurde Telemann nicht müde, die “Virtu” und den “Goût, dessen dieselben sich auf der Hautbois zu bedienen pflegen,” zu preisen. Er gesteht, von den Dresdner Oboisten auf “unaussprechliche Arth gerührt worden zu sein”, selbst wenn komplizierte Technik gefordert war wie “weit entfernte Sprünge, bedeckte und unbequeme Töne”, chromatische Gänge. “Die brillirenden Töne, welche von Natur in dieses delikate Instrument geleget sind,” beherrschten le Riche und Richter in gleicher Weise vollkommen.
In Zelenkas Sonaten wird all dies hörbar und auch im Notentext sichtbar. Die minutiöse dynamische Bezeichnung etwa straft die alte Mär von der barocken “Terassendynamik” lügen: die Stücke strotzen vor Crescendi und feinsten Abstufungen. Man spürt, wie sehr diese beiden Oboisten und der Dresdner Solofagottist Ritter Zelenka in ihren Bann zogen. Was er ihnen abverlangte, ist ein Extrem an Ausdauer, technischer Bravour und Differenzierungskunst, doch es scheint, dass er das Niveau von Sonate zu Sonate steigerte. Nr. I ist noch eine klassisch-italienische Sonata, ab Nr. II wird der Ausdruck bizarrer, die Satztechnik komplexer. Zunehmend löst sich das Fagott vom Bass, bis es in den Sonaten V und VI konzerthafte Soli übernimmt. Es liegt ein eigener Reiz darin, diese sukzessive “Überladung” von Sonate zu Sonate zu studieren.
SONATA II in g-Moll: Wie in den Sonaten Nr. IV und VI dominiert hier der bizarre Mollton, der für Zelenka ebenso typisch ist wie das vivaldihaft rauschende Dur. Erstmals wird zwischen Fagottsolo und Tuttibass differenziert. Die Oboen und das Fagott lösen sich über weite Strecken als französisches “Trio” vom Basso continuo. An anderen Stellen umspielt das Fagott die Basslinie oder entwickelt kleine Dialoge mit dem Bass, was den Klang bereichert.
Der erste Satz erinnert thematisch an die “Triopartiten” des Wiener Hofkapellmeisters Johann Joseph Fux, bei dem Zelenka 1715/16 und noch einmal 1717-19 studierte. Die enge Stimmverzahnung und feine Dissonanzenkunst in den Sonaten des Steirers Fux scheinen den Tschechen Zelenka beeindruckt zu haben.
Der zweite Satz ist eine Doppelfuge in zwei Teilen, die beide wiederholt werden, ähnlich manchen Sätzen in Bachs Violinsonaten (Finale der c-Moll-Sonate, BWV 1017). Die beiden Themen, die zuerst separat, dann zusammen durchgeführt werden, sind extrem unterschiedlich im Charakter. Das erste besteht aus sich kontinuierlich erweiternden Sprüngen (Quintsprung, Sextsprung, Septsprung, Oktav), das zweite aus eng liegender Chromatik mit Tonwiederholungen (ein Thema, das auch Händel in einer Oboensonate verwendete). Für das erste hat Zelenka Sostenuto vorgeschrieben, also Aushalten der Töne, für das zweite Staccato, kurz gestoßenen Vortrag. Wenn am Ende beide Themen kombiniert werden, kommt dieser Kontrast in der Artikulation besonders schön zur Geltung.
Der dritte Satz in B-Dur wirkt durch die Kombination langer Haltetöne der Oboen mit frei ausschwingenden Fagottläufen wie ein entspannendes Intermezzo. Erst das Finale kehrt zum misanthropischen Moll zurück, in das sich hier auch noch chromatische Durchgangsnoten einnisten. Wie das Finale der ersten Sonate hat der Satz ein tänzerisches, mit Triolen untermischtes Thema, das imitatorisch zwischen den beiden Oboen ausgetauscht wird. Typisch für Zelenka sind die kleinteiligen Motivwiederholungen, die das Thema auf ganze 23 Takte anwachsen lassen, bevor die zweite Oboe einsetzt. Der Satz benötigt denn auch nicht weniger als 246 Takte, bis alle kontrapunktischen und konzertanten Möglichkeiten des Themas ausgeschöpft sind.