Zwölf Variationen über ein Thema aus dem Oratorium Judas Maccabäus G-Dur, WoO 45
Werkverzeichnisnummer: 216
Jede Widmung Ludwig van Beethovens sollte man ernst nehmen und im historischen Zusammenhang betrachten, so auch im Falle der Variations sur un Theme de Händel: dans l’Oratoire Judas Macabée, wie es im Erstdruck von 1797 heißt. Der Meister dedizierte diese zwölf Variationen für Violoncello und Klavier der Fürstin Christiane von Lichnowsky. Sie war nicht nur eine Tochter der musikalisch hoch begabten Gräfin Thun, Mozarts früher Gönnerin in Wien. Sie war vor allem die Ehefrau des Fürsten Carl von Lichnowsky, der bereits für Mozart 1789 die Reise nach Berlin organisiert hatte, und der nun auch den jungen Beethoven mit an den preußischen Hof nahm. Dort komponierte der Bonner Meister 1796 seine ersten beiden Cellosonaten, in deren Umfeld auch die Variationen entstanden. Was Mozart seinerzeit nicht geglückt war, nämlich das Vertrauen des Fürsten Lichnowsky zu gewinnen, gelang Beethoven mühelos. Fürst und Fürstin Lichnowsky erlösten ihn aus seiner ersten Wiener Behausung, einer „elenden Dachstube“, und räumten ihm in ihrem eigenen Palais großzügig eine Wohnung ein. Sie waren dort mehr als nur seine Gastgeber, sondern für viele Jahre Freunde, ja Vertraute des Komponisten. Seine Dankbarkeit brachte Beethoven durch die Widmung einiger bedeutender Frühwerke zum Ausdruck: Die Klaviertrios Opus 1, die Pathétique und die Zweite Sinfonie widmete er dem Fürsten Lichnowsky. Die Fürstin wurde bescheidener bedacht, und zwar zuerst Ende 1797 mit den besagten „Händel-Variationen“.
Dank der Wiener Händelrenaissance des Barons van Swieten und seiner Adelsgesellschaft war das Oratorium Judas Maccabäus damals dem Publikum bereits vertraut. Der Chorsatz „See, the conquering hero comes“ wurde wegen seiner eingängigen Melodie schon damals zum „Hit“, war allerdings noch weit davon entfernt, als Adventslied in den Kirchen gesungen zu werden. Erst 1826, ein Jahr vor Beethovens Tod, veröffentlichte der evangelische Theologe Friedrich Heinrich Ranke seine geistliche Umdichtung des Händelschen Chores „Tochter Zion, freue dich“. Die ersten Hörer von Beethovens Variationen im Jahre 1797 hatten also noch keine weihnachtlichen Assoziationen – im Gegenteil. In Händels Oratorium, und zwar sowohl im Josua, für den der Satz 1747 ursprünglich komponiert wurde, als auch im Judas Maccabaeus, in den ihn Händel nachträglich übertrug, dient der Gesang den jüdischen Frauen zur Begrüßung des siegreichen Helden nach der Schlacht. Als solcher war er auch in den Napoleonischen Kriegen weit verbreitet. Beethovens Variationen sind dagegen alles andere als kriegerisch, vielmehr kammermusikalisch fein abgestuft und klanglich delikat, ein echtes Duowerk voll überraschender Ableitungen aus dem bekannten Thema, reich ausgestattet mit virtuosem Passagenwerk für beide Spieler.